Was die EU-Entwaldungsverordnung für Startups bedeutet

Nachhaltigkeit und der Schutz der Umwelt sind für viele Food-Startups Selbstverständlichkeiten, wenn es um ihre Produkte und deren Herstellung geht. Darüber hinaus gibt es aber auch eine Reihe von rechtlichen Vorschriften, die zur nachhaltigen Führung der Geschäfte verpflichten, beispielsweise die sogenannte EU-Entwaldungsverordnung. Was die beinhaltet und welche Konsequenzen das für Startups hat, erfahrt ihr in diesem Beitrag.

Warum es die EU-Entwaldungsverordnung gibt

Wälder sind ein Garant für Biodiversität und als natürlicher Speicher von CO₂ ein wesentlicher Faktor im Kampf gegen den Klimawandel. Gleichzeitig werden jedes Jahr 10 Millionen Hektar Wald zerstört und 90 Prozent dieser Entwaldung wird durch nicht-nachhaltige Landwirtschaft verursacht. Vor diesem Hintergrund hat die EU im Rahmen des Green New Deals die EU-Entwaldungsverordnung (EUDR) verabschiedet, um die weitere Abholzung von Wäldern zu minimieren. Für Holz gab es mit der European Timber Regulation eine ähnliche Verordnung bereits, das neue Regelwerk schließt folgende Rohstoffe und daraus bestehende relevante Erzeugnisse ein: Rinder, Kakao, Kaffee, Ölpalme, Kautschuk, Soja und Holz. Zwei Beispiele: Ein relevantes Erzeugnis aus Kakao ist Schokolade, während Seife, die Palmöl enthält, nicht in diese Kategorie fällt. . Eine Einzelfallbeurteilung anhand der Liste im Anhang der EUDR ist hier also erforderlich.

Betroffen von der Verordnung sind sowohl natürliche als juristische Personen, die wiederum in unterschiedliche Kategorien eingeteilt werden. Zunächst wird zwischen Marktteilnehmern und Händlern unterschieden. Marktteilnehmer bringen relevante Rohstoffe oder Erzeugnisse im Unionsmarkt in Verkehr oder führen sie aus diesem aus, sie agieren also im Import und Export. Händler sind alle Personen und Unternehmen in einer Lieferkette, die innerhalb der EU relevante Erzeugnisse bereitstellen, also abgeben, wobei es nicht darauf ankommt, ob die Abgabe entgeltlich oder unentgeltlich erfolgt, und keine Marktteilnehmer sind. Eine weitere Unterscheidung betrifft die Unternehmensgröße. Kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) haben ein abgestuftes Pflichtenprogramm, sind aber nicht generell von der Verordnung ausgenommen. In die Kategorie KMU fallen Unternehmen mit einer Bilanzsumme von höchstens 20 Millionen Euro, Nettoerlösen von nicht mehr als 40 Millionen Euro und einer aufs Jahr gerechneten durchschnittlichen Beschäftigtenzahl von bis zu 250 Personen. Diese Definition dürfte auf die allermeisten Food-Startups zutreffen.

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Was ist ein Wald und wie schließe ich Entwaldung aus?

Offiziell ist die EUDR bereits am 30. Juni 2023 in Kraft getreten, konkret anzuwenden ist sie ab dem 30. Dezember 2024. Für kleine Unternehmen gilt sogar eine Übergangszeit von 24 Monaten, was für sie den Stichtag in den Juni 2025 verlegt. Die Pflichten beziehen sich nur auf Produkte, die nach dem 29. Juni 2023 hergestellt wurden. Ein weiterer wichtiger Stichtag ist der 31. Dezember 2020. Es dürfen keine Produkte in Verkehr gebracht werden, die von Flächen stammen, auf denen nach diesem Datum Entwaldung oder Waldschädigung stattgefunden hat. Als Wald definiert ist eine Fläche von mindestens 0,5 Hektar mit über 5 Meter hohen Bäumen und einer Überschirmung von mehr als 10 Prozent. Ob die Entwaldung auf Rodung oder Waldbrand zurückzuführen ist oder eine andere Ursache hat, ist dabei irrelevant.

Es dürfen also in der EU nur Produkte gehandelt werden, die sich als „entwaldungsfrei“ kategorisieren lassen. Erforderlich ist zudem der Nachweis, dass die Herstellung gemäß den Rechtsvorschriften des Erzeugerlandes erfolgte. Es muss eine Sorgfaltserklärung vorliegen, welche die Erfüllung der Kriterien bekundet. Die große Herausforderung ist nun die Beschaffung der erforderlichen Informationen bezüglich Menge, Herkunft und Herstellungszeitpunkt relevanter Erzeugnisse. Vor allem der Nachweis, dass beispielsweise die Anbaufläche für Kakao nach dem Stichtag kein Waldareal nach der EU-Definition war, und das idealerweise bis auf die einzelne Parzelle genau, ist mit erheblichen Aufwand verbunden. Bei der Geolokalisierung helfen könnte das europäische Satellitenprogramm Copernicus.

Welche Pflichten für Startups gelten

Nach der Informationsbeschaffung folgt die Pflicht zur Risikobewertung, die jährlich zu überprüfen ist, und die Pflicht zur Risikominderung. Unternehmen sollten dafür ein internes Kontrollsystem einführen, das die Einhaltung der EUDR gewährleistet. Vor allem kleinere Startups dürften sich durch den Maßnahmenkatalog überfordert fühlen, aber gerade für sie gibt es auch einige Erleichterungen. Geplant ist beispielsweise ein Benchmarking einzelner Länder bezüglich der Höhe des Risikos, gegen die Verordnung zu verstoßen. Bei geringem Risiko reduzieren sich auch die Pflichten. Und Unternehmen, die unter die KMU-Definition fallen, müssen für Erzeugnisse, für die bereits eine Sorgfaltserklärung abgegeben wurde, keine neue erstellen.

Eine Reduktion der Pflichten besteht vor allem dann, wenn ein KMU nicht als Marktteilnehmer, sondern als Händler agiert. Das ist dann der Fall, wenn das Unternehmen seine Rohstoffe beziehungsweise für seine Produkte erforderlichen Erzeugnisse innerhalb der EU bezieht und seine Waren auch nur innerhalb der EU verkauft. Gewisse Informationspflichten existieren bezüglich der Herkunft der Produkte aber trotzdem und im Zweifelsfall könnte das Motto „Unwissenheit schützt nicht vor Strafe“ gelten. Auch ein Startup wird übrigens wieder vom Händler zum Marktteilnehmer, wenn es seine Produkte an Kunden außerhalb der EU verkauft. Oder wenn es seine Rohstoffe direkt aus dem Erzeugerland bezieht, was nicht selten bei Startups der Fall ist, die großen Wert auf Fairtrade legen. Diese haben oft direkte Beziehungen zu landwirtschaftlichen Betrieben aufgebaut, was wiederum den Nachweis der Unbedenklichkeit erleichtert.

Diese Strafen drohen im Ernstfall

Welche Strafen drohen nun bei Verstößen gegen die EUDR? Eine zivilrechtliche Haftung ist nicht ausdrücklich vorgesehen, aber nach allgemeinen Regeln und nach vertraglichen Vereinbarungen möglich. Konkreter wird es bei den öffentlich-rechtlichen Sanktionen, für die das Bundeslandwirtschaftsministerium die zuständige Behörde in Deutschland ist. Sollten Verstöße gegen die EUDR festgestellt werden, erfolgt wohl zunächst die Aufforderung, diese in Zukunft zu unterlassen. Vor allem im Wiederholungsfall ist aber auch mit empfindlichen Strafen zu rechnen. Dazu zählen Geldbußen, die bis zu 4 Prozent des Jahresumsatzes ausmachen können, oder mehr bei hohen Gewinnen. Denkbar sind auch der Einzug der relevanten Erzeugnisse, die Abschöpfung der mit den Erzeugnissen gemachten Einnahmen oder der Ausschluss von öffentlichen Ausschreibungen.

Fazit für Startups: Wenn diese in die Kategorie KMU-Händler fallen – was häufig der Fall ist – fallen die Konsequenzen aus der EUDR weniger dramatisch aus, als es zunächst den Anschein hat. Dann reicht es, wenn sie die Referenznummern der Sorgfaltserklärungen der Lieferanten dokumentieren und weitere Informationen zu Lieferanten und Empfängern der Waren bereithalten. Gründerinnen und Gründer sollten sich aber mit wesentlichen Punkten der Verordnung vertraut machen und für sie erforderliche Maßnahmen einleiten, um im nächsten Jahr kein böses Erwachen zu erleben. Wobei noch nicht abzusehen ist, ob und wie sich die EUDR überhaupt in gewünschter Form praktisch umsetzen lässt.

Update: Wird die EU-Entwaldungsverordnung verschoben?

Die EU-Kommission hat am 2. Oktober 2024 vorgeschlagen, das Inverkehrsetzen der EUDR bis zum 30. Dezember 2025 aufzuschieben, für KMU-Unternehmen dementsprechend bis zum 30. Juni 2026. Hintergrund sind Rückmeldungen an die EU-Kommission, die ergeben haben, dass Unternehmen für die Umsetzung der EUDR mehr Zeit benötigen. Die Verschiebung ist allerdings noch nicht endgültig beschlossen. Der Vorschlag der EU-Kommission muss hierzu noch vom EU-Parlament und vom Rat gebilligt werden. Ein Entscheidung wird zügig erwartet.

Dieser Beitrag beruht auf einem digitalen Workshop, den der Rechtsanwalt Dr. Fabian Walden von der Kanzlei MARTIUS Rechtsanwälte exklusiv für Mitglieder des Food Innovation Camp Clubs durchgeführt hat.