So denkt Europa über Fermentation

Die Fermentation als Methode zur Herstellung und Haltbarmachung von Lebensmitteln ist seit Jahrtausenden bekannt, doch gerade Startups finden immer neue Wege, um sie für ihre Produkte nutzen. Doch was müssen sie dabei beachten? Dieser und anderen Fragen rund um die Fermentation geht eine aktuelle Studie nach, für die Personen europaweit befragt wurden. Wir fassen die wichtigsten Ergebnisse zusammen.

Insgesamt 7.812 Befragte aus neun Ländern nahmen an der Erhebung teil, die von dem europäischen Forschungsprojekt HealthFern durchgeführt wurde. Ziel war es, das Marktpotenzial von innovativen fermentierten Produkten zu ermitteln. Die gelten als besonders gesund und erweisen sich in der Herstellung oft als überdurchschnittlich nachhaltig und klimafreundlich. Aber treffen sie auch den Massengeschmack? Laut der Umfrage bezeichnen sich 75 % der Teilnehmenden als Omnivoren, also „Allesesser“, gefolgt von 16 %, Flexitariern. Die waren besonders häufig unter den Befragten mit Wohnsitz in Deutschland anzutreffen, wo 30 % dies als ihren Ernährungsstil angaben. Ein höheres Bildungsniveau und finanzielle Stabilität korrelierten stark mit einer pflanzenreichen Ernährungsweise, zudem bezeichnen sich jüngere Befragte eher als Vegetarier oder Veganer bezeichneten als ältere. Der Hauptgrund, warum Menschen ihre Ernährungsweise ändern, ist die Gesundheit.

Der Trend geht zu weniger Fleisch

Nur ein Viertel der Befragten isst täglich Obst und Gemüse. Milchprodukte sind die am häufigsten konsumierte Lebensmittelgruppe: Bei 46 % stehen sie einmal täglich oder öfter auf dem Speiseplan. Fleisch ist demnach ebenfalls ein Grundnahrungsmittel, wobei es einen Trend zur Reduzierung des Fleischkonsums gibt, insbesondere bei den Flexitariern. Sogar 27 % der Omnivoren essen weniger als dreimal im Monat Fleisch, was auf eine wachsende Marktchance für alternative Proteine hinweist. Alternativen zu Milchprodukten auf pflanzlicher Basis erweisen sich als besonders vielversprechend. 10 % der Befragten konsumieren mindestens einmal täglich Pflanzendrinks und 11 % vier- bis sechsmal pro Woche oder öfter fermentierten Joghurt auf pflanzlicher Basis. Weiß- und Sauerteigbrot waren die bekanntesten und am häufigsten konsumierten fermentierten Lebensmittel, während Tempeh die geringste Bekanntheit erzielte.

Kimchi ist ein klassisches Beispiel für fermentiertes Gemüse.
Kimchi ist ein klassisches Beispiel für fermentiertes Gemüse.

Geschmack ist das wichtigste Kriterium

Der Geschmack war insgesamt der wichtigste Grund für die Wahl der Ernährung, gefolgt von der persönlichen Gesundheit und Nachhaltigkeit und Tierschutz, wobei die Prioritäten in den verschiedenen Gruppen des Ernährungsstils unterschiedlich waren. Zu den Haupthindernissen für den Verzehr von pflanzlichen Lebensmitteln gehörten der Widerstand gegen eine Umstellung der Essgewohnheiten, die empfundene Unbequemlichkeit und lückenhafte Kenntnisse bezüglich Sättigung und Geschmack. Bei fermentierten pflanzlichen Lebensmitteln waren eindeutige Kennzeichnung der Zutaten und Bio-Zertifizierungen wichtig. Verbreitet ist eine gewisse Unsicherheit über die gesundheitlichen und nachhaltigen Vorteile fermentierter pflanzlicher Lebensmittel gegenüber anderen Lebensmitteln.

Die Befragten bevorzugten fermentierte pflanzliche Fleisch- und Milchalternativen, die auf einem preislichen Niveau mit tierischen Produkten liegen. Bei niedrigeren Preisen besteht Zweifel an der Qualität. Die traditionelle Fermentation war die am meisten akzeptierte Art, gefolgt von der Präzisions- und Biomassefermentation. Jüngere, gebildete und finanziell abgesicherte Befragte zeigen eine größere Bereitschaft, Produkte zu probieren, die mit allen Fermentationstechnologien zubereitet wurden. Das Vertrauen in Fermentation als Produktionsmethode ist in den einzelnen Ländern unterschiedlich ausgeprägt. Am höchsten ist es in Finnland, gefolgt von Italien und Rumänien. Das geringste Vertrauen besteht in Deutschland.

Ohne Fermentation gäbe es keinen Joghurt.
Ohne Fermentation gäbe es keinen Joghurt.

So wird Fermentation zum Erfolgsrezept

Bei fermentiertem Joghurt und Trinkjoghurt auf pflanzlicher Basis bevorzugen die Verbraucher weiße, cremige und süße Produkte ohne Bohnengeschmack oder -geruch. Wichtige Merkmale für fermentierte pflanzliche Hühnerfleischalternativen sind eine gleichmäßige Farbe, eine natürliche Form, ein hühnerähnlicher Geruch, salzige und würzige Aromen sowie eine zarte, gleichmäßige Textur. Bei mit Protein angereicherten Broten bevorzugen die Verbraucher kleine Luftblasen, Röst- und Nussaromen, einen fermentierten Geschmack und eine zugleich knusprige und weiche Textur.

Die Studie zeigt, dass das Interesse und das Potenzial für fermentierte Lebensmittel auf pflanzlicher Basis bei den europäischen Verbrauchern groß ist. Die Überwindung von Barrieren in Bezug auf Vertrautheit, Bequemlichkeit und Geschmack ist jedoch von entscheidender Bedeutung. Diese Erkenntnisse können dazu beitragen, gezielte Strategien zu entwickeln, die bevorzugte sensorische Eigenschaften, Zutatenpräferenzen und eine klare Kennzeichnung nutzen, um die Akzeptanz und Marktdurchdringung von fermentierten Lebensmitteln auf pflanzlicher Basis zu verbessern. Um die Kluft zwischen der derzeitigen Wahrnehmung und den potenziellen Vorteilen pflanzlicher fermentierter Lebensmittel zu überbrücken, ist ein systemischer Ansatz erforderlich, der Verbraucheraufklärung, Forschung und Produktentwicklung umfasst.

Hier könnt ihr die gesamte Studie herunterladen (Englisch).

Über HealthFerm

HealthFerm ist ein europäisches Forschungsprojekt, bei dem innovative Fermentationen von Hülsenfrüchten und Lebensmitteln auf Getreidebasis sowie die gesundheitlichen Auswirkungen und die Wahrnehmung neuartiger fermentierter Lebensmittel durch die Verbraucher untersucht werden.

Fermentierte Lebensmittel haben den Ruf, gesundheitsfördernd zu sein. Mit Ausnahme von Joghurt und anderen kultivierten Milchprodukten gibt es jedoch kaum konkrete Beweise für den tatsächlichen gesundheitlichen Nutzen fermentierter Lebensmittel. Daher werden im Rahmen des HealthFerm-Projekts mehrere Interventionsstudien am Menschen durchgeführt, um die Wechselwirkung zwischen dem Mikrobiom (= Gesamtheit aller Mikroorganismen) von fermentierten Lebensmitteln und dem menschlichen Darmmikrobiom besser zu verstehen und zu ermitteln, wie sie die menschliche Gesundheit unterstützen.

Beitragsbild: Auch beim Brauen von Bier kommt Fermentation zum Einsatz.

Fotos: Pixabay