Holiroots macht Cracker mit gerettetem Gemüse
Die Vermeidung von Lebensmittelverschwendung ist ein Thema, das viele Startups beschäftigt. So auch Holiroots, das Cracker mit Gemüse herstellt, das sonst gar nicht erst in den Handel gekommen wäre. Ungewöhnlich für ein Food-Produkt: Entstanden ist die Idee in Rahmen eines Uni-Projekts.
Paola Varela ist gebürtige Mexikanerin und absolvierte ihr Business-Studium zunächst auch in ihrem Heimatland. Als es um die Frage ging, wo sie ihren Master-Abschluss machen sollte, musste nicht lange überlegen. Schon ihre Familie hatte Verbindungen nach Deutschland und als zweite Fremdsprache hatte sie Deutsch gewählt. Also ging die Reise ins Schwabenland, zur Universität Hohenheim in Stuttgart. Diese Hochschule hat vor allem im Bereich des nachhaltigen Wirtschaftens einen guten Ruf, was sich für Paola als sehr hilfreich erweisen sollte.
Holroots hat seine Wurzeln in einem Uni-Wettbewerb
2020 nahm sie an einem Projekt mit dem Titel „From Leaf to Root – Holistic Use of Vegetables“ teil, welches das Europäische Innovations- und Technologieinstitut (EIT) initiiert hatte. Laut Ausschreibung wurden dabei Studierende animiert, Prototypen auf der Grundlage von Pflanzenteilen zu entwickeln, die bisher nicht oder nur sehr selten genutzt werden, und damit sowohl eine nachhaltigere Nutzung von Ressourcen als auch eine gesündere Ernährung zu fördern. Die vierköpfige Projektgruppe der Uni Hohenheim nahm sich daraufhin einer häufig vernachlässigten Form von Gemüse an.
Wobei Form hier durchaus wörtlich zu nehmen ist, denn es geht hier hauptsächlich um Gemüse, das aufgrund seines Aussehens nicht in den Handel kommt. Beispielsweise die zu krumme Karotte oder der fleckige Lauch, aber auch die Rote Beete die etwas zu groß geraten ist. Bestenfalls finden solche Exemplare in Biogasanlagen oder als Dünger Verwendung, dabei wären sie als Nahrungsmittel trotz der vermeintlichen Mängel hervorragend geeignet. Aber in welcher Verarbeitungsform? Bei Holiroots lautet die Antwort „Cracker“. Der Name Holiroots bezieht sich übrigens auf den holistischen, also ganzheitlichen Ansatz des Projekts und die simple Tatsache, dass die verwendeten Gemüsesorten Wurzeln haben oder diese sogar verwendet werden.
Von Beginn an ein Investor an Bord
„From Leaf to Root“ war mit einem Wettbewerb verbunden, bei dem Holiroots den zweiten Platz belegte. Schon das ein schöner Erfolg, doch dabei blieb es nicht. Im Dezember 2020, als die Projektphase zu Ende ging, erhielt Paola einen Anruf von einem Investor aus dem EIT-Netzwerk. Damit war gesichert, dass aus der Idee ein richtiges Startup werden konnte. Von dem ursprünglichen Team blieb außer Paola noch Duyen Do als Mitgründerin an Bord. Sie bringt mit ihren vietnamesischen Wurzeln, ihrem Bachelor in Lebensmittelwissenschaften und ihrem Master in Bioökonomie noch mehr Know-how und Internationalität ins junge Unternehmen ein.
Die Finanzierung gab ihnen die Möglichkeit, die ursprünglich in der heimischen Küche entstandenen Rezepturen weiterzuentwickeln. Aus anfangs zwölf Cracker-Varianten wurden zunächst drei, denen sie die ganze Aufmerksamkeit schenkten, mit Karotten, Rote Beete und Lauch als Basiszutaten. Für viele Food-Startups ist die Suche nach dem geeigneten Produzenten eine echte Herausforderung und bei Holiroots war das nicht anders. Die Gründerinnen fragten bei zahlreichen Großbäckereien an, doch die meisten waren nicht darauf ausgerichtet, dieses neuartige Produkt auf Gemüsebasis in erforderlicher Qualität und Quantität zu liefern. Schließlich fand sich aber ein echter „Cracker-Experte“.
Gut Ding will Weile haben, und so brauchte auch die Entwicklung von Holiroots seine Zeit. Die offizielle Unternehmensgründung erfolgte im Oktober 2021, die Cracker in ihrer heutigen Form waren im September 2022 marktreif. Die richtige Kombination aus hoher Bio-Qualität und fairem Preis war gefunden, der Nutri-Score A und ein Gemüseanteil von über 30 % garantiert. Dabei handelt es sich in der Regel selbstverständlich um aussortiertes Gemüse, ausnahmsweise, wenn davon nicht genug vorhanden ist, kann auch reguläre Ware dazukommen. Ein stetig wachsendes Netzwerk von landwirtschaftlichen Betrieben macht diesen Fall aber immer unwahrscheinlicher. Sieben Tonnen Gemüse wurden bereits gerettet.
2023 Markteintritt in Belgien, 2024 drei neue Sorten
Ziel von Holiroots ist es, seine Cracker möglichst in jeden Haushalt zu bringen, und das geht am besten über den Lebensmitteleinzelhandel. Die ersten Schritte machte das Startup aber nicht in Deutschland, sondern in Belgien, weil hier von Investorenseite die besten Kontakte bestanden. 2023 ging es dort los und im Laufe des Jahres konnte sich Holiroots Regalplätze in über 300 Märkten sichern, von Bio-Märkten bis zu Discountern. 2024 steht nun die Eroberung des deutschen Markts auf der Agenda. Erste Listungen gibt es bereits und bis Ende des Jahres sollen es bis zu 150 werden. Als bestes Marketinginstrument haben sich Verköstigungen erwiesen. Auf Messen und im Supermarkt sorgt der direkte Kundenkontakt für wichtige Erkenntnisse und Erfolgserlebnisse.
Seit Kurzem gibt es da noch mehr zu probieren. Zu den drei Ursprungssorten, die vor allem als Knäckebrotalternative geeignet sind, kommen drei weitere Geschmacksvarianten mit Süßkartoffeln, Pastinaken und wiederum Rote Beete hinzu. Die sind etwas kräftiger gewürzt und haben eher Platz im Snack-Sortiment, wo noch Nacholbedarf an gesunden Produkten herrscht. Und dabei soll es langfristig nicht bleiben. Idealerweise entwickelt sich Holiroots zu einer Marke, die gerettetes Gemüse zu vielen weiteren Lebensmitteln verarbeitet, die schnell und leicht zu konsumieren sind. Ein weiteres Ziel ist die Fortsetzung der Internationalisierung in der DACH-Region und in Benelux. Und schließlich wünscht sich Paola, als Vorbild für Gründerinnen, Menschen mit Migrationsgeschichte und Studierende insgesamt dienen zu können. Schließlich schlummern überall noch viele verborgene Talente, die wachgeküsst werden sollten.
Fotos: Holiroots