Vegan ist ungesund-YouTuber zeigen schockierende Bilder aus der Schweinezucht
„Vegan ist ungesund“ – dieser Name des YouTube-Kanals von Gordon Prox und Aljosha Muttardi ist natürlich ironisch gemeint. Tatsächlich wollen die beiden ihre Zuschauer auf überwiegend humorvolle Weise von den Vorteilen einer Ernährung ohne tierische Produkte überzeugen. Mit schockierenden, heimlich aufgenommenen Bildern aus einem Schweinezuchtbetrieb, die auch bei stern TV zu sehen waren, haben sie jetzt für Aufsehen gesorgt. Wir haben mit Gordon darüber gesprochen, wie er die Mission erlebt hat und wie jeder einzelne etwas verändern kann.
Welche Angst war größer, die vor dem ‚erwischt werden‘ oder vor dem was ihr dort sehen werdet?
Die Angst vor dem, was wir dort sehen werden, war deutlich größer. Vor allem war es die Angst davor, wie wir selbst darauf emotional reagieren. Was macht das mit uns? Klar haben wir die Sachen auf Video schonmal gesehen. Aber das alles live zu erleben und da drin zu sein, das zu hören, zu riechen, zu spüren, die Angst davor war definitiv am größten.
Mit dem zeitlichen Abstand: was haben die grausamen Eindrücke, die man im Video sehr klar beobachten kann, mit euch gemacht?
Im ersten Moment waren wir natürlich komplett überfordert. Emotionen wie Wut, Trauer und Verzweiflung waren in Herz und Kopf unterwegs. Jetzt mit dem zeitlichen Abstand ist es so, das wir sagen können: Das Ganze hat uns komplett bestärkt in dem, was wir tun und auch gezeigt, wofür wir das überhaupt machen. Jetzt stellen wir uns die Frage, wie können wir mit den breiten Massen über dieses Thema sprechen. Im Zuge dieses Beitrags bei stern TV haben wir uns mit der Frage auseinandergesetzt, wie wir so viel wie möglich erreichen können für die Tiere, die keine Stimme haben. Was für eine Gesprächskultur legen wir an den Tag? Wir müssen als Gesellschaft über diese Themen sprechen. Natürlich muss jeder für sich die Entscheidung fällen, aber nur, wenn er so viele Informationen wie möglich hat, ist er in der Lage, die beste Entscheidung zu fällen.
Solche Videos gibt es bereits zahlreich im Netz und sie wurden auch in den Medien immer wieder aufgegriffen. Gefühlt vergisst das Volk das aber sofort immer wieder. Habt ihr eine Idee oder Mission dem Vergessen oder besser gesagt, dem Verdrängen entgegenzutreten?
Wir waren uns bewusst, dass die meisten Menschen solche Bilder schon gesehen haben. Grundsätzlich wollen die meisten Menschen keine Massentierhaltung und das Leid dahinter unterstützen. Warum tun sie es dann trotzdem und verändern nichts? Weil die Menschen komplett überfordert sind. Wenn sie diese Bilder sehen, stellen sie sich die Frage: Was soll ich machen? Soll ich vegan werden? Soll ich kein Fleisch mehr essen? Das können sie sich nicht vorstellen, blocken ab und nichts passiert. Also haben wir uns überlegt, was wir den Leuten sagen können. Wir treten nicht als radikale Tierrechtler auf. Für die Identifikation ist es besser, dass die Leute über uns denken, das sind Typen wie du und ich. Wir sagen, wenn du uns unterstützen willst, dann setz dich mit dem Thema auseinander und verändere was. Du kannst zum Beispiel Fleisch nur noch am Wochenende essen oder mal ausprobieren Vegetarier zu sein. Schau einfach, was möglich ist.
Wir glauben, dass es wichtig ist wegzugehen von diesem Schwarz oder Weiß und von diesem Schubladendenken, du bist entweder Veganer, Vegetarier oder Allesesser, reih dich irgendwo ein und alle kämpfen gegeneinander. Wir müssen vielmehr sagen, wie sind hier alle gemeinsam auf der Welt, jeder hat sein eigenes Tempo, lass uns schauen, wie jeder etwas veränderen kann. Damit ist der Welt schon sehr viel geholfen. Wir haben das Gefühl, dass diese Art der Argumentation den Menschen viel sympathischer ist und sie sich damit leichter verbinden können. Das Ziel ist ja nicht Veganismus auf der ganzen Welt, das Ziel ist mehr Mitgefühl für alle Lebewesen auf diesem Planeten. Ich glaube, das Problem ist, dass viele Leute Veganismus als etwas anderes wahrnehmen als es ist. Es geht darum, dass wir jedes Lebewesen respektieren.
Wenn schon nicht alle Menschen auf einen Schlag vegan werden können oder wollen, warum ist es eurer Meinung nach für den Großteil der Deutschen so schwer, eben nicht das allerbilligste Fleisch aus dem Supermarkt zu kaufen, sondern sich mit dem Thema Tierhaltung, Tierschutz und dem echten Wert eines Tierlebens auseinander zu setzen?
Wir alle haben Fleisch gegessen, weil das als natürlich, normal und notwendig gilt. Das gehört in unserer Gesellschaft einfach zum alltäglichen Leben dazu und es wird einem auch so leicht wie möglich gemacht, tierische Produkte zu konsumieren. Ich gehe in den Supermarkt und kaufe ein abgepacktes Steak. Schmeckt gut, mag ich, also warum soll ich was verändern. Ich habe nicht das Gefühl, das am Ende auf meinem Teller ein totes Tier landet, das das ganze Leid durchleben musste, das wir auf den Bildern sehen. Es wird versucht, das ganze Thema so weit weg wie nur möglich von uns zu halten.
Hinzu kommt noch der wichtigste Faktor: Wir Menschen sind einfach Profis darin, uns die Welt so zu verkaufen, wie wir sie gerne sehen wollen. 99 % der Menschen sagen zu mir, sie kaufen ihr Fleisch beim Bio-Schlachter um die Ecke, ich weiß, wo mein Fleisch herkommt. Das sind so Sätze, die man andauernd hört, damit sagt man quasi, ich habe mit diesen Bildern nichts zu tun. Habe ich damals auch gemacht, wenn ich damit konfrontiert wurde. Aber wenn ich unterwegs war, habe ich auch mal einen Döner gegessen. Im Grunde genommen lügt man sich da ein bisschen selbst an. Hinzu kommt noch diese Geiz-ist-geil-Mentalität, die wir in Deutschland haben. Es ist einfach schön, wenn alles günstig und im Überfluss zur Verfügung steht. Das ist ein Problem, das wir nicht nur bei tierischen Produkten haben.
Ich habe auch 28 Jahre meines Lebens Fleisch gegessen und wusste, dass Massentierhaltung scheiße ist. Warum habe ich trotzdem das billigste Fleisch gekauft und gedacht, das hat schon seine Richtigkeit? Das lag daran, dass ich mich nicht wirklich darauf eingelassen habe. Die Zeiten sind heutzutage so schnelllebig und das Thema ist so weit weg von einem, dass ich da gar nicht so richtig drüber nachgedacht habe. Erst als ich mir diese Bilder wirklich angeguckt und mir Gedanken darüber gemacht habe, erst da kam der Moment, wo ich etwas verändert habe. Ich hätte mir damals jemanden gewünscht, der mir das gezeigt und gesagt hätte, du musst jetzt nicht von null auf hundert alles verändern. Aber du solltest schon was verändern, du solltest deinen Fleischkonsum reduzieren. Das hätte mir damals schon geholfen.
Ihr vloggt bereits seit Jahren zum Thema Veganismus und habt eine große Community, wie nehmt ihr die Veränderungen der nachwachsenden Generation wahr? Gibt es einen Wandel?
Die neue Generation macht auf jeden Fall einen positiven Eindruck, weil sie sich ganz anders mit Themen auseinandersetzt. Guck dir zum Beispiel Fridays for Future an. Es werden Sachen viel mehr hinterfragt. Die neue Generation setzt sich ganz anders mit sich selbst und der Umwelt auseinander, was wunderschön ist. Da habe ich auch große Hoffnung, was das Thema tierische Produkte anbelangt. Es gibt so viele Bilder und das Internet bietet so viele Informationen, gepaart mit kritischem Denken passiert da sehr, sehr viel und das ist einfach großartig. Auf der anderen Seite gibt es die große Masse, die nicht in den Metropolen unterwegs ist. Die findet ein Wandel tendenziell wahrscheinlich eher langsamer statt. Die Frage ist also, wie schafft man es, die breite Masse abzuholen und nicht nur junge Menschen, die sowieso schon bei Fridays for Future unterwegs sind.
Wie schafft man es, diese Bilder mit einem Lösungsansatz zu kommunizieren, der für die breite Masse nicht komplett unrealistisch ist. Also nicht nach dem Motto, du musst morgen vegan werden – viel Spaß! Wir haben mehr davon, wenn viele sich in Teilen verändern, als wenn fünf Prozent vegan werden. Wir sehen da schon einen positiven Wandel. Allein die Tatsachen, dass wir bei stern TV waren und das es Produkte wie Beyond Meat-Burger gibt, die es viel einfacher machen auf pflanzliche Produkte umzusteigen, sind Indikatoren, dass sehr viel passiert. Es war noch nie eine so tolle Zeit wie jetzt für Menschen, die sich sagen, ich probier diesen Veganismus mal aus. Man muss gar nichts mehr missen. Es gibt so viele tolle Fleischalternativen und man tut der Umwelt, den Tieren und seinem Körper, wenn man sich vollwertig und ausgewogen ernährt, was Gutes. Die Zukunft wird großartig sein – ab geht’s!
Danke für eurer Engagement und das Gespräch!
Beitragsbild: Aljosha Muttardi und Gordon Prox von Vegan ist ungesund beim Food Innovation Camp 2018 (Foto: Stefan Groenveld)