Aktuelle Studie bestätigt: Ernährung ist mehr als Nahrungsaufnahme

Für die meisten Menschen in Deutschland ist Ernährung längst mehr als bloße Nahrungsaufnahme: 84 Prozent beschäftigen sich aktiv mit dem, was auf den Teller kommt. Eine aktuelle Studie beleuchtet, welche Rolle Ernährung für die Menschen in Deutschland spielt – und wie persönliche Einstellungen, gesellschaftliche Bedingungen und politische Erwartungen dabei ineinandergreifen.

Durchgeführt wurde die Studie von More in Common im Auftrag der Robert Bosch Stiftung in Zusammenarbeit mit dem Meinungsforschungsinstitut Verian. Die dieser Studie zugrundeliegende Forschung umfasst sechs qualitative Fokusgruppen mit unterschiedlichen Bevölkerungssegmenten im September 2024, sowie eine quantitative Online-Panel-Erhebung von 2.020 Menschen im Oktober 2024.

Zwischen Ideal, Alltag und gesellschaftlichem Klima

84 Prozent der Befragten setzen sich aktiv mit ihrer Ernährung auseinander. Der Wunsch nach Selbstbestimmung steht dabei im Mittelpunkt – viele möchten selbst entscheiden, was auf den Teller kommt. Und: 62 Prozent sind grundsätzlich zufrieden mit ihrer Ernährung. Doch das Bild ist nicht ganz so rosig, wie es scheint. Fast die Hälfte – 49 Prozent – sieht Verbesserungsbedarf. Besonders jüngere Menschen und solche mit geringem Einkommen haben häufiger den Wunsch, sich anders zu ernähren. Warum gelingt das nicht? Der Alltag macht es schwer. Zeitmangel, steigende Lebensmittelpreise und eine Flut widersprüchlicher Informationen erschweren die Umsetzung guter Vorsätze.

Hinzu kommen persönliche Hürden wie Bequemlichkeit oder einfach das Fehlen von Energie nach einem langen Arbeitstag. Insgesamt zeigt sich: Ernährung wird von vielen Menschen als komplexes und oft überforderndes Thema wahrgenommen. Hinzu kommt eine gewisse gesellschaftliche Unsicherheit: Beim Vergleich mit anderen verorten sich die meisten im Durchschnitt – nur 5 Prozent halten ihre Ernährung für schlechter als die der Allgemeinheit. Das deutet auf ein sensibles Klima hin, in dem Ernährung eng mit Bewertungen und persönlichen Unsicherheiten verknüpft ist.

Was beeinflusst unser Essverhalten?

Beim Lebensmitteleinkauf dominieren drei Faktoren: Geschmack (89 %), Preis (76 %) und gesundheitliche Überlegungen (72 %). Gesellschaftliche Aspekte wie Klimaschutz (42 %) oder soziale Gerechtigkeit (43 %) sind zwar präsent, spielen aber oft eine untergeordnete Rolle – vor allem bei Menschen mit knapperem Einkommen oder instabilen Lebensverhältnissen. Wer sich sicher und eingebunden fühlt, bezieht häufiger solche Werte in seine Entscheidungen mit ein Auch kulturelle Prägung hat großen Einfluss: Über die Hälfte der Befragten nennt die eigene Herkunft oder die Küchentradition der Familie als bestimmend für das eigene Essverhalten. Politische oder religiöse Überzeugungen, Werbung oder aktuelle Trends spielen hingegen kaum eine Rolle.

Ernährung ist Privatsache – und dennoch politisch

In Gesprächen mit Familie oder Freunden steht meist das Persönliche im Vordergrund: 77 Prozent sprechen lieber über Vorlieben und Gewohnheiten als über gesellschaftliche Themen rund ums Essen. Gleichzeitig wird die öffentliche Debatte als konfliktgeladen erlebt – 70 Prozent empfinden sie als spaltend, 42 Prozent fühlen sich davon sogar persönlich angegriffen. Das betrifft besonders Menschen mit geringerer gesellschaftlicher Teilhabe. Spannungen zeigen sich vor allem im Verhältnis zwischen Fleischessern und Veganern. Laut Studie begegnen sich diese Gruppen häufig mit Abwertung statt Dialog. Statt Austausch herrscht Polarisierung – ein deutlicher Hinweis darauf, dass Ernährung auch ein Thema gesellschaftlicher Identität geworden ist.

Vertrauen, Verantwortung und der Wunsch nach Veränderung

Wenn es um Informationen rund ums Essen geht, setzen die meisten auf Nähe und persönliche Erfahrung. Familie, Ärzte und Landwirte genießen hohes Vertrauen. Deutlich skeptischer sehen die Befragten Politiker (8 %), große Influencer (12 %) oder große Lebensmittelunternehmen (13 %). Es wird klar: Wer glaubwürdig über Ernährung sprechen will, braucht Nähe, Transparenz und Unabhängigkeit. Trotz vieler Einschränkungen ist die Bereitschaft zur Mitgestaltung hoch. Eine Mehrheit der Menschen wäre bereit, höhere Preise zu zahlen, wenn diese bessere Standards im Tierschutz, beim Klimaschutz oder bei der Bezahlung von Landwirte ermöglichen. Der Wunsch nach Veränderung ist also da – aber er braucht realistische Bedingungen und politische Unterstützung.

Politik soll Rahmen setzen, nicht vorschreiben

Die Kritik an der aktuellen Ernährungspolitik ist deutlich: 62 Prozent der Befragten halten sie für wirkungslos, während nur 14 Prozent der Meinung sind, dass die Politik ausreichend Verantwortung übernimmt. Gleichzeitig wünschen sich viele, dass sich die Politik nicht zu stark in Ernährungsfragen einmischt – 56 Prozent sprechen sich gegen zu viel Einflussnahme aus. Auf den ersten Blick mag dies widersprüchlich erscheinen, lässt sich jedoch gut erklären: Die Menschen wollen keine Bevormundung, sondern klare und unterstützende Rahmenbedingungen, die eine gesunde und nachhaltige Ernährung erleichtern.

Es wird eine Politik gefordert, die gesunde, regionale und bezahlbare Lebensmittel fördert, auf Verbote verzichtet und Mitbestimmung ermöglicht. Drei Viertel der Befragten wünschen sich mehr Einfluss auf politische Entscheidungen, etwa über Volksentscheide, und 55 Prozent befürworten Bürgerräte. Die politischen Baustellen sind laut der Studie klar benannt: steigende Lebensmittelpreise, Lebensmittelverschwendung, ungesunde Ernährung bei Kindern und Jugendlichen, das Verschwinden kleiner Lebensmittelgeschäfte sowie Massentierhaltung.

Über die Initiatoren

Die Robert Bosch Stiftung ist eine gemeinnützige, unabhängige und überparteiliche Stiftung, die ihren Fokus auf die Bereiche Gesundheit, Bildung und globale Fragen legt. Sie geht auf das Vermächtnis von Robert Bosch zurück und setzt sich für eine nachhaltige und zukunftsorientierte Entwicklung in diesen Bereichen ein.

More in Common ist eine internationale Organisation, die sich für gesellschaftlichen Zusammenhalt und eine lebendige Demokratie engagiert. Mit Teams in unter anderem Deutschland, Großbritannien, Frankreich und den USA arbeitet sie daran, das gesellschaftliche Miteinander zu stärken und demokratische Werte zu fördern.

Die gesamte Studie könnt ihr hier herunterladen.

*Die Bilder wurden mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) generiert.