Kultivietes Fleisch

Kultiviertes Fleisch in Europa: Chancen, Risiken, Meinungen

Das Thema kultiviertes, im Labor gezüchtetes Fleisch steht im Zentrum einer neuen europäischen Debatte über die Zukunft der Ernährung. Eine aktuelle Studie des EIT Food Consumer Observatory (2025) untersucht, wie Europäer biotechnologische Lebensmittel sehen und welche Erwartungen sie an die Politik haben.

Vom Labor zur politischen Agenda

Noch vor wenigen Jahren war kultiviertes Fleisch ein Thema für Forschungslabore und Startups, inzwischen steht es verstärkt im Fokus der Politik. Mit dem geplanten Biotech Act will die EU die Vorschriften für biotechnologische Innovationen modernisieren und ein Umfeld schaffen, das Forschung und Markteinführung erleichtert, ohne Sicherheit und Verbraucherschutz zu vernachlässigen. Laut EIT Food sollen die Zulassungsverfahren beschleunigt, Startups gefördert sowie Forschung, Infrastruktur und Ausbildung entlang der Wertschöpfungskette gestärkt werden. So will die EU ihre Wettbewerbsfähigkeit sichern und die nachhaltige Lebensmittelproduktion vorantreiben.

Erste Reaktionen der Verbraucher

Verbraucher stehen kultiviertem Fleisch ambivalent gegenüber: Chancen treffen auf Vorbehalte und Wissenslücken

Die Studie zeigt, dass Europas Verbraucherinnen und Verbraucher der Entwicklung kultivierten Fleisches mit gemischten Gefühlen begegnen. Zwar erkennen viele das Potenzial der Biotechnologie für Klima- und Ernährungssicherheit, zugleich bestehen Vorbehalte und Wissenslücken. Der Begriff wird oft mit Gentechnik verbunden und ruft Misstrauen gegenüber vermeintlich unnatürlichen Prozessen hervor. Viele fühlen sich nicht ausreichend informiert, um Sicherheit und Nachhaltigkeit beurteilen zu können. Dennoch sehen zahlreiche Befragte Vorteile wie weniger Tierleid, geringere Umweltbelastung und kontrollierte Produktion. Die Einstellung variiert: Jüngere und städtische Menschen sind aufgeschlossener als ältere oder ländlich lebende.

Kultiviertes Fleisch: wichtige Einflussfaktoren auf die Akzeptanz

Die EIT-Food-Studie nennt vier zentrale Faktoren, die die Akzeptanz biotechnologischer Innovationen wie kultiviertem Fleisch prägen. Erstens spielt die Wirksamkeit eine Rolle – also die Frage, ob Biotechnologie als reale Lösung für Klima- und Ernährungsprobleme gilt. Viele sehen darin Potenzial, befürchten jedoch Nebenwirkungen wie steigende Preise oder eine stärkere Marktmacht großer Konzerne. Zweitens geht es um Fairness, also ob Vorteile und Risiken gerecht verteilt sind. Viele Verbraucher vermuten, dass vor allem große Unternehmen profitieren, während Landwirte und Konsumenten benachteiligt werden. Drittens ist das Vertrauen in Institutionen entscheidend – insbesondere, ob der Gesetzgebungsprozess transparent und unabhängig wahrgenommen wird. Schließlich beeinflusst die wahrgenommene Dringlichkeit des Handelns die Haltung: Wer Klimawandel und Ernährungssicherheit als akute Probleme betrachtet, zeigt sich aufgeschlossener gegenüber neuen Technologien. Zusammengenommen erklären diese vier Faktoren laut Studie fast die Hälfte der Unterschiede in der Akzeptanz biotechnologischer Lebensmittel.

Chancen und Risiken aus Sicht der Verbraucher

Die Studie beleuchtet sowohl die Chancen als auch die Risiken von kultiviertem Fleisch. Zu den Chancen zählen ein Beitrag zur Nachhaltigkeit durch geringeren Ressourcenverbrauch, weniger Flächenbedarf und einen reduzierten CO₂-Ausstoß. Zudem könnte die Ernährungssicherheit gestärkt werden, da kultiviertes Fleisch mehr Unabhängigkeit von Importen und eine resilientere Versorgung ermöglicht. Weitere Potenziale liegen in technologischen Fortschritten, neuen Arbeitsplätzen und einer Verbesserung des Tierschutzes als Alternative zur Massentierhaltung. Demgegenüber stehen Risiken wie Gesundheitsbedenken, der Ruf nach Langzeitstudien und mehr Transparenz. Viele fürchten eine Machtkonzentration großer Konzerne sowie den Verlust kultureller Identität, etwa im Hinblick auf traditionelle Landwirtschaft und Esskultur. Zudem wird bezweifelt, ob kultiviertes Fleisch langfristig erschwinglich und breit zugänglich sein wird.

Kultiviertes Fleisch: Studie liefert Empfehlungen für Akzeptanzsteigerung

Um Vertrauen aufzubauen und die Akzeptanz biotechnologischer Innovationen zu fördern, formuliert EIT Food mehrere zentrale Handlungsempfehlungen. Zunächst sollten bekannte Technologien wie die Fermentation bevorzugt eingesetzt werden, um Erfahrungen zu sammeln und Berührungsängste abzubauen. Außerdem empfiehlt die Studie, kleine und mittlere Unternehmen gezielt zu fördern, um Fairness und Wettbewerb zu stärken. Eine transparente Kennzeichnung und unabhängige Kontrollen sollen zusätzlich Vertrauen schaffen. Ebenso entscheidend ist eine klare, verständliche und zielgruppengerechte Kommunikation. Schließlich betont die Studie die Bedeutung von Bildung und Aufklärung, um ein fundiertes Verständnis der Chancen und Risiken biotechnologischer Entwicklungen zu fördern.

Hier geht’s zur Studie.

Bildmaterial: Canva AI