Die neuesten Nachrichten über kultiviertes Fleisch

Kultiviertes Fleisch selbst ist zwar noch nicht in aller Munde, das Thema aber sehr wohl. Vor allem Singapur und die USA machen in diesem Bereich große Fortschritte, doch auch in Europa tut sich einiges. Zeit für ein News-Update.

Kultiviertes Hühnerfleisch hält Einzug in ausgewählten US-Restaurants

Am 21. Juni ging die Nachricht um die Welt, dass das US-Landwirtschaftsministerium (USDA) den amerikanischen Food-Unternehmen UPSIDE Foods und Eat Just mit der Marke GOOD Meat die Genehmigung erteilt hat, in den Vereinigten Staaten zellkultiviertes Hühnerfleisch zu produzieren und zu verkaufen. Damit sind die USA erst das zweite Land weltweit, das eine solche Erlaubnis erteilt hat. In Singapur vertreibt GOOD Meat sein zellbasiertes Hühnerfleisch bereits seit November 2020.

José Andrés bereitet kultiviertes Hühnerfleisch von GOOD Meat zu. (Foto: Eat Just, Inc.)
José Andrés bereitet kultiviertes Hühnerfleisch von GOOD Meat zu. (Foto: Eat Just, Inc.)

Beide Unternehmen wollen ihre Produkte zunächst in gehobenen Restaurants der Öffentlichkeit präsentieren. UPSIDE Foods feierte seine Premiere in San Francisco in der auch für ihre gute Küche bekannten Bar Crenn. Für ein ausgewähltes Publikum bereitete der Sternekoch Dominique Crenn das Hühnchen nach einem Rezept mit mexikanisch-japanischen Einflüssen zu (siehe Beitragsbild). GOOD Meat wählte für seinen Start das Restaurant China Chilcao in Washington. Dort steht José Andres am Herd, der einer ebenfalls handverlesenen Gästeschar „Anticuchos de Pollo“ servierte, inspiriert von der Küche Perus. Beide Gerichte sind demnächst auch der Allgemeinheit zugänglich, allerdings nur in begrenzter Zahl und auf Vorbestellung.

Kultivierte Fleischbällchen aus Schweden

Foto: Re:meat
Foto: Re:meat

Von Möglichkeiten wie in den USA können europäische Gastronomiebetriebe vorerst nur träumen, wann und unter welchen Bedingungen kultiviertes Fleisch auch in der EU zugelassen wird, ist noch unklar. Trotzdem setzen immer mehr Unternehmen aus Europa auf diesen Zukunftsmarkt. So auch Re:meat aus Schweden. Das erst 2022 gegründete Startup arbeitet nach eigenen Angaben an dem Aufbau der ersten skandinavischen Großanlage für kultiviertes Fleisch und den weltweit ersten kultivierten schwedischen Fleischbällchen. Erste Verkostungen sollen äußerst erfreuliche Resonanz gefunden haben.

Niederlande wollen Verkostungen erlauben

Bald darf der Burger von Mosa Meat in den Niederlanden auch offiziel verkostet werden (Foto: Mosa Meat)
Bald darf der Burger von Mosa Meat in den Niederlanden auch offiziell verkostet werden (Foto: Mosa Meat)

Die Niederlande haben bei der Entwicklung von Fleisch aus Zellkulturen Pionierarbeit geleistet, schon 2013 entstand dort der erste kultivierte Burger, der 250.000 Euro Produktionskosten verschlungen haben soll. Trotzdem ist dort die Verkostung bis heute illegal. Selbst führende Anbieter wie Mosa Meat und Meatable mussten bisher auf nur bedingt aussagekräftige Computersimulationen zurückgreifen. Das soll sich nun bald ändern. Die niederländische Regierung hat ein Regelwerk für Verkostungen erstellt, an dem auch der Branchenverband HollandBIO und die beiden genannten Unternehmen beteiligt sind. Damit würde unser westlicher Nachbar wieder eine Vorreiterrolle übernehmen, denn solche festen Leitlinien gibt es bisher nirgendwo in der EU.

Fachmesse IFFA macht kultiviertes Fleisch zum Fokusthema

Die IFFA, die Internationale Fleischliche Fachausstellung, ist eine Messe für die Verarbeitung, die Verpackung und den Verkauf von Fleisch und alternativen Proteinen, die alle drei Jahre stattfindet. Die nächste Ausgabe findet vom 3. bis 8. Mai 2025 statt. Kultiviertes Fleisch wird dann als Fokusthema auf der Tagesordnung stehen. In diesem Zusammenhang hat die IFFA ein Interview mit Ivo Rzegotta veröffentlicht, Senior Policy Manager für Deutschland beim Good Food Institute Europe. Dort sagt er unter anderem:

„Auf dem Weg zur Marktreife von kultiviertem Fleisch haben wir in den vergangenen Monaten große Fortschritte gesehen. In den USA wurden die ersten Produkte nun zugelassen und auch in anderen Märkten laufen entsprechende Verfahren. Wann die Produkte in Deutschland und in Europa auf den Markt kommen, hängt im Wesentlichen von zwei Dingen ab: Zum einen müssen die Herstellungskosten weiter gesenkt und die notwendigen Produktionskapazitäten aufgebaut werden, bevor die Produkte auf den Massenmarkt kommen können. Hier braucht es neben privaten Investitionen auch deutlich mehr öffentliche Förderung in den Bereichen Forschung und Infrastruktur. Deutschland hat viel in die Energiewende und die Transportwende investiert, eine vergleichbare Anstrengung bei der Förderung der Ernährungswende steht noch aus.

Ivo Rzegotta vom Good Food Institute (Foto: gfo)
Ivo Rzegotta vom Good Food Institute (Foto: gfo)

Zum anderen fällt kultiviertes Fleisch in den Geltungsbereich der Novel Food-Verordnung der EU. Daher müssen Produkte aus kultiviertem Fleisch eine gründliche Überprüfung der Lebensmittelsicherheit durchlaufen, bevor sie in der EU verkauft werden dürfen. Gegenwärtig ist der Prozess jedoch sehr bürokratisch und dauert deutlich länger als in anderen Regionen der Welt. Die deutsche Regierung sollte den Unternehmen hier stärker mit maßgeschneiderten Beratungsangeboten unter die Arme greifen.

In Deutschland gibt es eine Reihe von vielversprechenden Startups im Bereich der Zellkultivierung, vor allem aber ist Deutschland als wichtiger Industriestandort Vorreiter in den vorgelagerten Bereichen – etwa bei der Entwicklung von nachhaltigen Nährmedien oder bei der Konstruktion von Fermentern für die Kultivierung und die Fermentation. Deutsche Unternehmen wie Merck, The Cultivated B und GEA positionieren sich auch weit über Deutschland hinaus als Rückgrat dieser neuen Branche.“

Bleibt zu hoffen, dass sich bis 2025 in Deutschland und der EU noch einiges mehr tut.

Beitragsbild: UPSIDE Foods