In-Vitro-Fleisch – Das hat sich 2020 am Markt getan

Es gibt viele gute Gründe, auf den Konsum von Fleisch zu verzichten. Tierwohl, die Klimaerwärmung oder der Umweltschutz, um einmal die wichtigsten drei zu nennen. Diese Themen werden öffentlich immer öfter angesprochen und diskutiert.

Unternehmen, die Fleischersatz anbieten, haben dadurch auch kaum Probleme, Geldgeber zu finden. Das hat letztes Jahr der rekordverdächtige Börsengang von Beyond Meat gezeigt. Und auch dieses Jahr setzt sich dieser Trend fort. Neben aus Pflanzen oder Insekten gewonnenen Fleischalternativen gerät In-Vitro-Fleisch, also solches, das im Labor hergestellt wird, mehr und mehr in den Fokus.

Große Schritte in 2020

Der erste In-Vitro-Burger in einem Restaurant. (SuperMeat)

Dieses Jahr gab es viele wichtige Entwicklungen im Bereich In-Vitro-Fleisch. Da sind sich die Experten einig. Fabio Ziemssen, CEO von NX-Food spricht von „einem großen Jahr für den Markt der Cultivated Meat-Produkte.“. So sieht das auch Albrecht Wolfmeyer von ProVeg Incubator und sagt „2020 war ein sehr starkes und wichtiges Jahr für die zelluläre Landwirtschaft.“. Für diesen Optimismus haben sie auch gute Argumente.

Im November eröffnete das Startup SuperMeat in Israel das erste Restaurant, welches gezüchtetes Fleisch serviert. Dort können interessierte sich einen Tisch reservieren, um sich den Produktionsablauf des Fleischs erklären zu lassen und das Hühnchen aus dem Labor auf einem Burger zu probieren.

Aktuell ist die Mahlzeit sogar kostenlos. Alles, was SuperMeat dafür möchte, ist das Feedback der Kunden. Damit umgeht das Startup die Problematik, dass es auch in Israel noch keine finale gesetzliche Regulierung zum Verkauf von In-Vitro-Fleisch gibt.

Verkauft werden darf Hähnchenfleisch aus dem Labor seit Anfang dieses Monates in Singapur. Dort hat das amerikanische Startup Eat Just es geschafft, seine „chicken bites“ von der Behörde für Ernährungssicherheit testen und freigeben zu lassen. Damit ist der Inselstadt das erste Land der Welt, welches In-Vitro-Fleisch frei verkäuflich macht.

Fleisch aus der Petrischale statt vom Rind

Mosa Meat In-Vitro
Professor Mark Post präsentiert den ersten In-Vitro-Burger. (Foto: David Parry/PA / Mosa Meat)

Gezüchtetes Fleisch ist schon einen langen Weg gekommen. 2013 gelang es Mark Post von der Universität Maastricht, den ersten gezüchteten Burger zu servieren. Dieser kostete aber noch rund 250.000 Euro. Die Kosten für das Fleisch aus dem Labor sinken seitdem rapide. Zwei Jahre später verkündete das belgische Start-up Mosa Meat, dessen Mitgründer Mark Post ist, einen Burger für ca. 70 Euro herstellen zu können. Marktreif sind die Burger allerdings noch nicht. Eine Massenproduktion will man bei Mosa Meat erst in drei bis vier Jahren erreichen.

Daran glauben auch die Investoren des Unternehmens. In der von September bis Dezember laufenden Series-B-Finanzierungsrunde gelang es den Belgiern, 75 Millionen US-Dollar zu bekommen.

In Israel arbeitet Aleph Farms gleich an zwei bemerkenswerten Projekten. Im November dieses Jahrs hat das Unternehmen sein künstliches Steak der Welt vorgestellt. Das soll nicht nur wie das natürliche Pendant schmecken, bis 2022 soll die Produktion auch laufen und das Fleisch zu normalen Preisen auf dem Teller landen.

Das zweite Projekt der Israelis klingt, als käme es direkt aus Star Trek. Bereits letztes Jahr gelang es ihnen auf der internationalen Raumstation (ISS) Fleisch zu züchten. Dabei mussten sie die Schwierigkeit überwinden, unter Mikrogravitation und weit weg von allen Ressourcen genießbares Fleisch herzustellen. In Zukunft wollen sie weiter an diesem Prozess arbeiten. Das erklärte Ziel des Gründers Didier Toubia: „Wenn Menschen auf dem Mond oder dem Mars leben, wird Aleph Farms auch dabei sein.“

Nicht nur Fleisch, sondern auch Fisch in den USA

Video: youknow

Das in Washington DC beheimatete Good Food Institute (GFI) hat dieses Jahr eine Kooperation mit der World Sustainability Organisation (WSO) bekanntgegeben. Diese soll ein Zertifizierungsprogramm für pflanzliche Meeresfrüchte initiieren. In Zukunft sollen diese mit dem „Friend of the Sea“ Standard gekennzeichnet werden, um umweltfreundliche Lebensmittel kenntlich zu machen. Das soll der Branche helfen und die Marktentwicklungen beschleunigen.

Fraglich ist noch, ob das Siegel auch gezüchteten Fisch zertifizieren wird. Dessen Entwicklung wird gerade in den USA vorangetrieben. Das Startup BlueNalu aus San Diego, Kalifornien forscht daran, aus Fischzellen Meeresfrüchte zu züchten. Das soll ähnlich wie auch bei den Landsäugetieren funktionieren und gegen die Überfischung der Meere helfen. 

Im selben Bundesstaat forscht das Startup Memphis Meat an In-Vitro-Fisch und -Fleisch. Dieses bezeichnet sich selbst als das weltweit führende Unternehmen im Bereich gezüchtetes Fleisch. Der Aussage scheinen auch viele Investoren Glauben zu schenken. Dieses Jahr erhielt das Team aus Berkeley insgesamt 161 Millionen US Dollar. Bei der Finanzierungsrunde war unter anderem der Microsoft Gründer Bill Gates mit von der Partie. Dieser hat auch schon in der Vergangenheit in das Unternehmen investiert.

Neben privater Forschung ist dieses Jahr in den USA auch ein staatliches Projekt gestartet. Mit einer Fördersumme von insgesamt 3,65 Millionen US Dollar wurde eine Open-Access-Forschung über kultiviertes Fleisch an der University of California gestartet.

Zum Start des Projekts erhielten die Forscher 1,25 Millionen US Dollar in Voraus, weitere 2,4 Millionen US Dollar sollen sie bekommen, wenn das Projekt in den ersten beiden Jahren gute Fortschritte macht. Damit ist das Projekt die bisher größte Initiative der USA zur Erforschung von kultiviertem Fleisch.

Kaum In-Vitro Forschung in Deutschland

Memphis Meat In-Vitro
Leckeres Entenfleisch ohne schlechtes Gewissen. In-Vitro macht es möglich. (Foto: Memphis Meat)

Bisher kommen die großen Durchbrüche im In-Vitro Bereich aus dem Rest der Welt, aber nicht aus Deutschland. Abhilfe davon soll das vom Bildungsministerium ausgerufene und verlängerte Wissenschaftsjahr 2020|21 schaffen. Es steht ganz im Zeichen der Bioökonomie. In dem Programm sollen Konzepte gegen den Klimawandel besprochen und umgesetzt werden. Das Probleme, welches es zu lösen gibt, ist die begrenzte landwirtschaftliche Nutzfläche bei einer gleichzeitig wachsenden Weltbevölkerung.

Ein Teil der Lösung dieses Problems wäre künstliches Fleisch. Das zeigt auch die Studie „Fleisch der Zukunft“ des Umweltbundesamts. Hierzulande gibt es bisher nur ein Unternehmen, welches an In-Vitro Fleisch forscht: Innocent Meat aus Rostock.

„Fleischproduktion schadet nachweislich der Umwelt und trägt zur Erderhitzung bei. Unsere Studie zeigt: Fleischersatz könnte eine große Rolle bei einer umweltschonenderen und auch gesünderen Ernährung spielen.“

Dirk Messner, Präsident des Umweltbundesamtes

Aber warum läuft denn in Deutschland noch nicht mehr Forschung an gezüchtetem Fleisch? „Solange der Preis der Lebensmittel nicht auch die Umweltschäden widerspiegelt, wird das billige Nackensteak noch länger den Vorzug vor einem Sojaschnitzel bekommen. Hier ist die Politik gefragt, diese Rahmenbedingungen zu verändern.“, erklärt Messner.

Aktuell sind es also vor allem die politischen Rahmenbedingungen und die Akzeptanz in der Bevölkerung, welche hier dem Laborfleisch im Weg stehen.

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Beitragsfoto: Memphis Meat