Kitchen Guerilla sagt der Krise der Gastronomie den Kampf an

Kaum eine Branche leidet so sehr unter der Corona-Krise wie die Gastronomie. Wenn jemand in der Lage sein sollte den Kampf aufzunehmen, dann doch ein Food-Unternehmen mit dem Namen Kitchen Guerilla. Und tatsächlich ist das Team aus Hamburg an einigen Hilfsaktionen beteiligt. Eine Crowdfunding-Kampagne ist gerade gestartet und die ersten Fertiggerichte stehen schon in ausgewählten Läden.

Das von den Brüdern Koral und Onur Elci geführte Food-Unternehmen Kitchen Guerilla ist eigentlich ziemlich breit aufgestellt. Auf vier Säulen basiert seine Arbeit, heißt es auf der Webseite: Events, Kantine, Catering und Content. Durch die Corona-Krise sind allerdings außer der Content-Erstellung alle Säulen gerade weggebrochen. Bei Events und Catering sind sämtliche Aufträge bis Ende Mai storniert, der Umsatzausfall beträgt 240.000 Euro. Auch der Kantinendienst ruht, da die Kunden praktisch komplett auf Home Office umgestellt haben. Facebook und Tradedesk zahlen allerdings nach wie vor weiter und zeigen so ihre Solidarität.

Kitchen Guerillero Onur Elci (Foto: Seren Dal)
Kitchen Guerillero Onur Elci (Foto: Seren Dal)

So sei eine gewisse Entschleunigung bei Kitchen Guerilla eingekehrt, schildert Onur im Interview mit uns die aktuelle Stimmung. Wobei der Begriff Entschleunigung angesichts der vielen Aktionen, die das aus insgesamt 30 Personen bestehende Team gerade initiiert, nicht ganz zutrifft. Konzentration auf das Wesentliche kommt der Sache schon näher. Für einige Bürojobs gilt zwar eine Kurzarbeitsregelung, die Kochtruppe dagegen hat ordentlich zu tun.

Die #SoliKüche der Kitchen Guerilla

Ein Grund dafür ist die Initiative namens #SoliKüche. Am Anfang stand die Idee, aus Beständen und mit der Unterstützung von hilfreichen Kunden Mahlzeiten für Wohnungslose und andere Bedürftige zu kochen. Inzwischen ist daraus ein kleines Geschäftsmodell entstanden. Jeder kann für sieben Euro ein Essenspaket inklusive Frischobst kaufen, das dann an eine Institution geht, die sich um die weitere Verteilung kümmert. Ein Teil des Betrags bleibt bei Kitchen Guerilla und hilft bei der Bezahlung der Gehälter.

So sehen die Mahlzeiten der #SoliKüche aus. (Foto: Kitchen Guerilla)

Über 4.000 Portionen wurden bereits verkauft, fast 1.500 gehen zurzeit pro Woche an die Bedürftigen. Die bekommen dadurch besseres Essen als sonst üblich, leider werden Wohnungslose sonst häufig mit minderwertigen Nahrungsmitteln abgespeist. #SoliKüche ist nicht die einzige Aktion, an der Kitchen Guerilla beteiligt ist. Eine ähnliche Intention hat auch #KochenFürHelden. Die Idee stammt ursprünglich aus Berlin und dem Restaurant Tulus Lotrek. Dort fing man an, für Menschen in sogenannten systemrelevanten Berufen zu kochen, also zum Beispiel Ärztinnen und Ärzte, Pflegepersonal, Supermarktkassiererinnen oder Feuerwehrleute.

Crowdfunding-Kampagne für Heldinnen und Helden gestartet

Eine Reihe Hamburger Gastronomiebetriebe griff das Konzept auf, darunter neben Kitchen Guerilla auch die Bullerei von Tim Mälzer, Salt & Silver, DIE GUTE BOTSCHAFT, Jellyfisch und mehr – die Liste wird stetig länger. Unterstützt werden sie dabei von Großhändlern wie der METRO und Transgourmet. Für Nachschub ist also gesorgt, ein Facebook-Post von Kochen für Helden – Hamburg berichtete sogar von feinsten Speisen wie „französischen Tauben, Barbarie-Enten, Edelkäsesorten, großen Kisten voller Blutwurst und hunderten von Kilos ganzer Gelbschwanzmakrelen“. Trotzdem geht die Aktion natürlich auch ins Geld, weshalb dazu jetzt, wie zuvor schon in anderen Städten, eine Crowdfunding-Kampagne gestartet ist, Motto: Kochen für Heldinnen & Helden in Hamburg.

Kitchen Guerillero Koral Elci in Aktion (Foto: Kochen für Helden)

Mit solchen vorbildlichen Aktionen zeigt die Gastroszene, dass sie so schnell die Flinte nicht ins Korn wirft. Dabei ist die Lage ziemlich ernst. Noch ist völlig unklar, wie lange Restaurants in Deutschland noch geschlossen bleiben müssen. Für Österreich ist gerade verkündet worden, dass ein Neustart für Mitte Mai angestrebt wird. Ein ähnlicher oder noch späterer Termin hierzulande könnte das Aus für die Hälfte der gastronomischen Betriebe hierzulande bedeuten, fürchtet Onur.

Einige werden gar nicht erst wieder eröffnen, andere werden es noch einige Monate versuchen und feststellen, dass sie die nicht erzielten Umsätze aus den Krisenmonaten nicht nachholen und in der Zeit aufgehäufte Schulden nicht abbauen können. Der Umsatzrückgang setzte schon Anfang März, also vor den offiziellen Restriktionen ein. Wenn jetzt der komplette April wegbricht, inklusive dem lukrativen Ostergeschäft, gefährdet das viele Existenzen.

Eine Petition mit klaren Forderungen an die Politik

Onur sieht deshalb die Politik in der Pflicht, mehr für die Rettung der gastronomischen Vielfalt zu tun. Kitchen Guerilla gehörte zu den Erstunterzeichnern eines offenen Briefes an die Stadt Hamburg, der sich inzwischen zu einer an die Bundesregierung adressierte Petition entwickelt hat. Über 80.000 Personen haben sie bisher unterschrieben. Zu den Forderungen unter dem Hashtag #wirsindbereit gehören volle Kostenübernahme der Bruttogehälter statt Kurzarbeitergeld, Steuernachlässe und Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis zum 01. März 2021.

Für viele Gastronomen keine realistische Option sind die aktuellen Schnellkredite der KfW. Zum einen erhöht das die Schuldenlast, die einige Unternehmen sowieso schon mit sich herumschleppen, zum anderen übernimmt die KfW in vielen Fällen höchstens 90 % des Ausfallrisikos . Die restlichen 10 % tragen die Hausbanken, die deshalb einen Kredit verweigern können. Inzwischen gibt es eine Sonderregelung für Unternehmen mit mehr als 10 Mitarbeitern, bei denen die KfW das volle Risiko übernimmt. Das ist allerdings an einige Bedingungen geknüpft, unter anderem dem Nachweis eines in letzter Zeit erwirtschafteten Gewinns.

Das Guerilla Gulasch ist ab sofort in ausgesuchten Hamburger Budnikowsky-Filialen erhältlich (Foto: Grischa Kaufmann)

Kitchen Guerilla ist sowieso entschlossen, die Krise so gut wie möglich aus eigener Kraft zu bewältigen. Eine neue Einnahmequelle sollen Fertiggerichte bilden, die über die Drogeriemarktkette Budnikowsky verkauft werden. Innerhalb von kaum mehr als zwei Wochen hat das Team acht Gerichte entwickelt. Los geht es mit Gulasch mit Schokolade und einem Kohlrabi-Pilz-Frikassee am 9. April in 30 Hamburger Filialen. 5,90 Euro kostet eine Portion im Glas. In den kommenden Wochen werden jeweils zwei neue Gerichte erhältlich sein, eines mit Fleisch und eines vegan. Und wie wir die Kitchen Guerilla kennen, hat sie sicher noch ein paar mehr Pfeile im Köcher.

Beitragsbild: Fotocollage zur Crowdfunding-Kampagne „Kochen für Heldinnen & Helden in Hamburg.“