Food Innovation Dinner – so kommuniziert man die neue Food-Welt

Eine Menge spricht für einen Wandel unserer Ernährung hin zu mehr pflanzlichen Produkten. Trotzdem sträuben sich viele, diesen Wandel mitzumachen; sie fühlen sich gegängelt und eingeschränkt. Dabei ist das Gegenteil der Fall: Die neue Welt der Lebensmittel bietet mehr Vielfalt und Abwechslung denn je. Wie das am wirkungsvollsten zu kommunizieren sei, war das Leitthema des zweiten Food Innovation Dinners in Berlin.

Eingeladen hatten wieder Sina Gritzuhn, Initiatorin des Food Innovation Camps, Christian Hamerle, Gründer des Food Service Innovation Labs, und Jörg Reuter, Geschäftsführer des Food Campus Berlin. Gekommen waren rund 40 Expertinnen und Experten aus Startup-Welt, Gastronomie, Politik, Wissenschaft, Investment und Medien, die eines gemeinsam haben: ihre Leidenschaft für Food-Innovationen.

Zum Food innovation Dinner luden ein: Jörg Reuter (Food Campus Berlin), Sina Gritzuhn (Food Innovation Camp, Schirmherrin Renate Künast und Christian Hamerle (Food Service Innovation Lab).
Zum Food innovation Dinner luden ein: Jörg Reuter (Food Campus Berlin), Sina Gritzuhn (Food Innovation Camp, Schirmherrin Renate Künast und Christian Hamerle (Food Service Innovation Lab).

Warum der Trend zu mehr pflanzlicher Ernährung viele noch nicht erreicht hat

Aber sind sie damit typisch für unsere Gesellschaft? Oder herrscht in Deutschland bei der Ernährung gerade eine Nachhaltigkeitsmüdigkeit? Zumindest könnte man zu diesem Schluss kommen, wenn man sich die Absatzzahlen veganer Produkte in Deutschland anschaut. Die steigen nämlich kaum noch, sind in manchen Marktsegmenten gar rückläufig. Der Marktforscher Dr. Robert Kecskes nannte bei seiner Keynote im Rahmen des Food Innovation Dinners drei Gründe für diese Entwicklung und gab ihnen einprägsame Namen:

  • Gegenwartsverschrumpfung. Technologische und gesellschaftliche Veränderungen gehen immer schneller voran, multiple Krisen werden zum Dauerzustand und das Vertrauen in die Zukunft schwindet. Hinzu kommen ein steigender Erfolgsdruck und das Gefühl, sich ständig für sein Verhalten rechtfertigen zu müssen. All das führt zu Überforderung, Erschöpfung und zu Trotzreaktionen.
  • Anerkennungsvakuum. Dieser Punkt knüpft an den vermeintlichen Rechtfertigungswang an. Viele Menschen haben das Gefühl, das ihnen die Anerkennung für ihr bereits positives Verhalten verwehrt wird und sie zu viel und unberechtigte Kritik einstecken müssen. Dabei gibt es beim Einkauf von Lebensmitteln durchaus eine Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit, genannt Attitude-Behavior-Gap. Demnach spielen Nachhaltigkeitskriterien in der Theorie eine größere Rolle als in der Praxis, wo letztlich doch wieder der Preis entscheidet.
  • Phantombesitz. Diesen Begriff hat die Philosophin Eva von Redecker geprägt. Sie beschreibt damit den gefühlten Anspruch auf eine ehemals rechtlich garantierte Verfügungsgewalt in einem gesellschaftspolitischen Kontext. Auf das Ernährungsverhalten übertragen bedeutet es das Beharren auf alte Essgewohnheiten, verbunden mit dem Gefühl, es solle einem etwas verboten oder weggenommen werden.
Dr. Robert Kecskes vom Marktforschungsinstitut GfK sprach über die Ursachen einer Nachhaltigkeitsmüdigkeit.
Dr. Robert Kecskes vom Marktforschungsinstitut GfK sprach über die Ursachen einer Nachhaltigkeitsmüdigkeit.

Vor allem der letzte Punkt erklärt die Abwehrhaltung, die viele Menschen immer noch gegenüber veganer Ernährung insgesamt oder auch einzelnen pflanzlichen Alternativprodukten einnehmen. Die Kunst besteht nun darin, diesen Menschen deutlich zu machen, dass auf nichts verzichten müssen, sondern im Gegenteil ein vielfältigeres und reichhaltigeres Angebot erhalten. Wie das funktionieren kann, dafür lieferte das Food Innovation Dinner zahlreiche Beispiele.

Mitsprache statt Vorschriften in der Politik

Nicht zuletzt ist hier die Politik gefragt, an diesem Abend vertreten durch Renate Künast. Die Sprecherin der Grünen im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft und Schirmherrin des Dinners berichtete über die gerade veröffentlichen Ergebnisse des Bürgerrats Ernährung. Dieses aus 160 ausgelosten Teilnehmenden bestehende Gremium hat eine Reihe von Vorschlägen entwickelt, die von kostenlosem Mittagessen für Kinder über eine stärkere Förderung des Tierwohls bis zur Altersbeschränkung von Energydrinks ab 16 Jahren reicht. Einschränkungen wie diese könnten eher akzeptiert werden, wenn sie nicht von oben herab verordnet würden, sondern aus der Mitte der Bevölkerung kämen.

Bei den kulinarischen Vorlieben zeigte sich Künast ganz bodenständig. Sie schwärmte von selbstgemachtem Sauerkraut und Königsberger Klopsen, wobei beide Klassiker mit aufgepeppter Rezeptur beziehungsweise als vegane Variante einen zeitgemäßen Anstrich bekommen könnten.

Lieber „pflanzliche Alternativen“ als „veganen Ersatz“

Aber sollte man für eine erfolgversprechende Kommunikation den Begriff „vegan“ überhaupt verwenden? Für viele hat er immer noch einen eher freudlosen Klang, „pflanzlich“ klingt da weniger ideologisch und sympathischer. Vermeiden sollte man auch die Formulierung „Ersatz“ für pflanzliche Produkte, besser funktioniert da schon „Alternative“. Die Marketingexpertin Steffi Müller von der Agentur PIABO erklärte in ihrem Kurzvortag, dass die Wortwahl eine große Rolle beim Vorantreiben des Ernährungswandels spielt. Wichtig sei es zudem, rund um die neuen Produkte eine überzeugende Geschichte zu erzählen, die ein gutes Gefühl erzeugt.

Die pflanzlichen  Tagliata von Redefine Meat waren von Rindfleisch kaum zu unterscheiden.
Die pflanzlichen Tagliata von Redefine Meat waren von Rindfleisch kaum zu unterscheiden.

Das beste Gefühl erzeugen Nahrungsmittel selbstverständlich dann, wenn sie hervorragend schmecken. Beim Food Innovation Dinner leisteten zwei Startups, die recht unterschiedliche Ansätze verfolgen, ihren Beitrag zu den kulinarischen Höhepunkten. Das israelische Unternehmen Redefine Meat wurde von zwei großen Fleischfans gegründet, die bei einer großen Computerfirma gearbeitet haben. Beide Aspekte spiegeln sich in den Produkten wider. Die Technikaffinität im Einsatz von 3D-Druck und der Geschmack und die Struktur in der täuschenden Ähnlichkeit zu tierischem Fleisch. Redefine Meat möchte „echtes“ Fleisch erzeugen, nur besser, gesünder und umweltfreundlicher als das herkömmliche. Das Ergebnis ist wahrlich verblüffend, wie die bei Dinner servierten Gerichte – Szegediner Gulasch, Tagliata und Hot Dog – zeigten.

Infinite Roots hatte auf Pilzmyzel basierende Köttbullar zum Food Innovation Dinner mitgebracht.
Infinite Roots hatte auf Pilzmyzel basierende Köttbullar zum Food Innovation Dinner mitgebracht.

Auch Infinite Roots aus Hamburg will zunächst mit vertrauten Produkten in den Markt starten. Die an diesem Abend zubereiteten Köttbullar sind ein Beispiel dafür. Mittelfristig ist das Startup aber auch in der Lage, völlig neue Lebensmittel zu kreieren. Möglich macht dies der verwendete Grundstoff, nämlich Myzel, eine Art Wurzelgeflecht von Pilzen. Es lässt sich auf die unterschiedlichste Weise verwenden, sogar als Baumaterial. Für die Lebensmittelerzeugung fehlt bisher in der EU noch die Zulassung, doch bei Infinite Roots ist man zuversichtlich, dass sich das bald ändert.

Die Gastronomie spielt eine Vorreiterrolle

Im Restaurant Ursprung, dem Schauplatz des Food Innovation Dinners, sind pflanzenbasierte Gerichte schon die Regel und eher solche mit tierischen Zutaten die Alternative. Aber auch in anderen Restaurants finden immer mehr vegane Speisen den Weg auf die Karte. Nicht in einer eigenen Sektion, sondern mittendrin zwischen den Fleisch- und Fischgerichten. So bekommen sie eine Selbstverständlichkeit und es wird deutlich, dass sie eine Bereicherung darstellen. Wenn sich diese Sichtweise auf allen Wegen der Kommunikation durchsetzt, dann muss man sich um eine erfolgreiche Zukunft pflanzlicher Ernährung keine Sorgen machen.