Infinite Roots: So sieht die Zukunft der Ernährung aus
Kürzlich konnte das Hamburger Foodtech-Startup Infinite Roots in einer Finanzierungsrunde 58 Millionen US-Dollar einsammeln. Die Investoren setzen dabei auf Pilzmyzel als wesentlichen Beitrag zur Ernährung der Zukunft. Wie es zu dem Investment kam und wie die Pläne von Infinite Roots aussehen, erfahrt ihr in diesem Beitrag.
In Zeiten, in denen das Geld für Startup-Finanzierungen knapper wird, dauert es auch länger, eine Runde erfolgreich abzuschließen. Während früher drei Monate genügen konnten, müsse man heute neun bis zwölf Monate einplanen, erklärt Philip Tigges, CFO von Infinite Roots. Bei dem Startup hat sich die Ausdauer definitiv gelohnt, die kürzlich verkündete Serie-B-Runde in Höhe von 58 Millionen US-Dollar fällt auch nach internationalem Maßstab außergewöhnlich hoch aus.
Das Food Innovation Camp brachte einen wichtigen Kontakt
Eine solche Größenordnung ist für die meisten Food-Startups unerreichbar, aber auch für sie hat Philip Tigges einen Tipp parat. Bei der Investorensuche ist es hilfreich, Unternehmen und Personen zu kontaktieren, die eine Nähe zur Branche aufweisen. Viele Risikokapitalgeber haben ihren Ursprung in der Software-Branche und scheuen die Materialkosten und den Produktionsaufwand, die mit Food unweigerlich verbunden sind.
Bei Infinite Roots sind mehrere Investoren an Bord, die sich mit den Besonderheiten der Branche bestens auskennen. Zum Beispiel die Dr. Hans Riegel Holding (HRH), eine Gesellschafter-Holding der Haribo-Gruppe, weltbekannt für ihre Gummibärchen. Oder die REWE Gruppe, die eine führende Rolle im Lebensmitteleinzelhandel einnimmt. Deren Head of FoodTech, Clément Tischer, hat das Team von Infinite Roots übrigens bei einer Verköstigung auf dem Food Innovation Camp 2023 kennengelernt.
Infinite Roots hofft auf eine baldige Zulassung
Solche Partner können mit ihrem Know-how und ihren Netzwerken entscheidende Impulse für den Wachstumskurs von Startups geben. Bei Infinite Roots stand dem Markteintritt bisher die Novel-Food-Verordnung im Weg. Die besagt, dass Lebensmittel, die vor 1997 in der EU nicht geläufig waren, vor ihrer Zulassung eingehend geprüft werden müssen. Nun stehen Pilze hierzulande seit Jahrtausenden auf dem Speiseplan, allerdings nur der oberirdische Fruchtkörper und nicht das unterirdische, Myzel genannte Geflecht, das aber genetisch identisch ist. Entscheidungen auf EU-Ebene können bekanntlich mal etwas länger dauern, aber Infinite Roots hofft auf einen verkürzten Prozess, denn in diesem Fall kann auch Deutschland autark ein mit höchster Wahrscheinlichkeit positives Urteil abgeben. Die daraufhin erfolgende Freigabe durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) sollte dann nur noch Formsache sein.
Bei Infinite Roots ist man auf jeden Fall bereit für einen raschen Markteintritt. Die ersten Schritte wird das Startup voraussichtlich in der Gastronomie machen. Dort lässt sich schnell und unkompliziert wertvolles Feedback von Gästen und Kochprofis bezüglich Geschmack und Verarbeitbarkeit einsammeln. In der zweiten Phase steht dann der Einzelhandel auf der Agenda. Hier wird dann das Geld aus der aktuellen Finanzierungsrunde gezielt eingesetzt, um eine neue Marke mit neuen Produkten zu etablieren. Das erfordert einen erheblichen und kostspieligen Werbe- und Marketingaufwand.
Lebensmittel aus Myzel setzen Maßstäbe in Sachen Nachhaltigkeit
Ein zweiter Punkt ist Ausbau und Optimierung der Produktion. Infinite Roots greift dabei auf eigens entwickelte und patentierte Technologien zurück, bei denen die Fermentation im Mittelpunkt steht. Die ist allerdings in vielen Bereichen der Nahrungsmittelproduktion schon lange gang und gäbe, was die Suche nach Produktionspartnern einfacher macht. Da bieten sich vor allem Brauereien an, die seit Jahren unter schwindendem Bierkonsum leiden und offen sind für neue Geschäftsfelder. Zudem wird in vielen Ländern der Welt Bier gebraut und vor allem in Europa gibt es zahllose lokale Brauereien.
Die regionale Produktion ist einer der vielen Faktoren, die Nahrungsmittel aus Pilzmyzel so nachhaltig und klimafreundlich machen. Ein weiterer ist die Verwendung von Nebenströmen, also Überresten aus der Lebensmittelproduktion, als Nährstoffbasis für das Züchten des Myzels. Zudem werden dafür keine Agrarflächen verbraucht wie etwa beim Sojaanbau. Ganz zu schweigen von der Rinderzucht, bei der Energie- und Ressourcenverbrauch eigentlich in keinem vernünftigen wirtschaftlichen Verhältnis zum Ertrag stehen. Bei großen Herstellungsmengen können Myzelprodukte daher langfristig deutlich günstiger sein als herkömmliches Fleisch.
Bei seinem geplanten Markteintritt wird Infinite Roots zunächst Alternativen zu bereits bekannten Produkten wie Fleischbällchen anbieten. Perspektivisch möchte das Unternehmen aber ganz neue Wege gehen und Lebensmittel kreieren, wie sie heute noch nirgendwo zu finden sind. Daher steckt es auch einen wesentlichen Teil der Finanzierung in die Forschung und Produktentwicklung. Pilze bilden ein eigenes Reich mit mindestens sechsmal so vielen Arten wie bei den Pflanzen. Da warten also noch viele schmackhafte Überraschungen auf uns!
Beitragsbild: Kötbullar von Infinite Roots
Fotos im Beitrag: Infinite Roots