Innocent Meat revolutioniert die Fleischproduktion der Zukunft
Laura Gertenbach ist in der Landwirtschaft zu Hause und will sie gleichzeitig revolutionieren. Die Rostockerin hat 2017 das Startup Innocent Meat gegründet, welches eine Plug-and-Play Lösung für die Produktion von Cultured Meat entwickelt. Am 13. Juni wird Laura auch auf der Bühne des Food Innovation Camps zu sehen sein. Wir haben bereits im Vorfeld mit der Gründerin über Cultured Meat und die Herausforderungen der Fleischproduktion gesprochen.
Vom Weihnachtsbaumhandel zu Cultured Meat
Laura sagt über sich selbst, sie sei ein pragmatischer Mensch. Diese Eigenschaft kann man auch in ihren verschiedenen Unternehmen wiedererkennen. Bereits vor 10 Jahren gründete sie ihr erstes Startup, einen Online-Weihnachtsbaumhandel. Zur Weihnachtszeit fragen Kunden Laura immer öfter auch nach einem guten Stück Fleisch. Sie erkennt das Potential der Marktlücke und geboren war das zweite Startup, Oberlecker. Ein Online-Handel für Fleisch in Premiumqualität, aus Freilandhaltung und vorwiegend aus Norddeutschland bezogen.
Für das Startup organisiert Laura die Schlachtung und die zugehörige Logistik selbst und bemerkt, welche Probleme rund um den Schlachtungsprozess auftreten können. In großen Betrieben sind die Tiere sehr gestresst und ist die Schlachtung öfter fehleranfällig. Deshalb lässt sie in kleineren Betrieben schlachten, aber zum höheren Preis. Gleichzeitig werden klimabedingte Herausforderungen, wie trockene Böden, im elterlichen Agrarbetrieb immer spürbarer. Das Land kann oft nur noch für Tierfutter genutzt werden, der geringste Teil erbringt Brotgetreide. „Da hatten wir auch öfters die Unterhaltung mit meinen Eltern, dass das so keinen Sinn macht“. Als Laura dann 2017 das erste Mal von Cultured Meat, also gezüchtetem Fleisch aus dem Labor, hört, erkennt sie darin eine Lösung für viele verschiedene Probleme. Und gründet das Startup Innocent Meat.
Wie wird Cultured Meat hergestellt?
Bei Cultured Meat (auch Clean Meat oder in-vitro-Fleisch) handelt es sich im Fleisch, welches auf der Basis von tierischen Stammzellen hergestellt wird. Dem Tier werden Fett- und Muskelgewebe entnommen, die enthaltenen Zellen werden dann isoliert, um die gewünscht Zielstammzelle zu erhalten. Anschließend wird die Zelle in einen Bioreaktor mit einem Zellträger und Nährboden gegeben und hat Zeit zu wachsen. Da Fett- und Muskelzellen jeweils unterschiedliche Bedürfnisse haben, werden sie getrennt voneinander kultiviert. Später können sie auf Kundenseite nach Wunsch wieder zusammengemischt werden. „Wurstrezepte habe verschiedene Anforderungen an Fettgehalt, und so können die Kunden sich alles ganz effizient zusammen mixen.“ Innocent Meat konzentriert sich aktuell auf die Produktion von Hackfleisch.
Häufig wird im Zusammenhang mit Cultured Meat die Verwendung von Kälberserum als Nährboden kritisiert. Laura erklärt, dass vor allem bei kleineren Experimenten das Kälberserum genutzt wird, denn es bietet ideale Wachstumsbedingungen für die Stammzellen. Für eine großangelegte Produktion wäre Kälberserum allerdings viel zu teuer. Innocent Meat verwendet deshalb eine Ackerpflanze als Basis für die Nährflüssigkeit. So kann auch die Landwirtschaft weiterhin einbezogen werden. „Ohne Gentechnik kommt man aber nicht aus. Das muss man ganz klar sagen“. Die Wachstumswachstumsfaktoren der Nährflüssigkeit werden darum aus gentechnisch veränderten Organismen gewonnen, um eine gute Performance während der Kultivierung sicherzustellen. Das Endprodukt gilt dadurch allerdings nicht als gentechnisch verändert. Man kann es sich so vorstellen, als würden Rinder mit gentechnisch angepasstem Soja gefüttert werden.
B2B-Lösung soll die Transformation zu kultiviertem Fleisch beschleunigen
Das Startup entwickelt den Produktionsvorgang von Cultured Meat als Plug-and-Play Lösung für Industriekunden und hat Räumlichkeiten an der Universität Rostock. Das Team aus acht Mitarbeitenden besteht hauptsächlich aus Experten der Bereiche Biotechnologie, Maschinenbau und Software-Entwicklung. Gemeinsam arbeiten sie daran, den Produktionsprozess von Cultured Meat von Anfang bis Ende mit einer KI-basierten Cloud-Software in der Industrie möglich zu machen. Innocent Meat liefert die nötigen Basisteile wie Stammzellen und Nährboden, sowie die Robotics und Software, welche die Produktion überwachen. So können die Wachstumsbedingungen kontrolliert und Fehler vorgebeugt werden. Außerdem passt sich die KI-Software an den Kunden an, wodurch die Produktion effizienter werden kann. Das langfristige Geschäftsmodell ergibt sich aus der Zulieferung der erwähnten Einzelbestandteile, sowie einer Gebühr pro Output und Service-Add-ons.
Diese Prozessentwicklung kostet natürlich, doch die Investorensuche war für Innocent Meat nicht ganz einfach. „Pre-Seed war für uns wirklich sehr sehr tough.“ Dadurch kommt es auch zu einem etwas verspätetem Start, denn eigentlich sollte es schon 2018 mit der Entwicklung losgehen. Die Zeit nutzt das Team, um an konkreten Lösungsansätzen zu arbeiten und einen technischen Plan zu entwickeln, der bis heute befolgt wird. Im Juni steht die Series-A-Runde an.
Globale Entwicklung und Trends
In Deutschland ist Cultured Meat aktuell noch nicht zugelassen. Laura rechnet aber mit der Zulassung in den nächsten drei Jahren. Singapur lässt bereits seit Ende 2020 kultiviertes Fleisch zu und auch die USA stehen kurz davor. Die deutsche Industrie zeigt bereits jetzt sehr großes Interesse, wie Laura von der IFFA-Messe erzählt. „Die würden unser Produkt am liebsten jetzt schon kaufen“. Die Lösung von Innocent Meat bedient die Probleme der Fleischindustrie und trifft damit genau ins Schwarze.
Nächste Woche dürfen wir Laura auch beim Food Innovation Camp 2022 begrüßen, denn sie ist Teil des Panels „Welche Rolle kann Deutschland zukünftig als Food Innovation Hub einnehmen“.
Wer jetzt Lust bekommen hat uns beim Food Innovation Camp zu besuchen, kann hier direkt nach Tickets stöbern.
Beitragsbild: Laura Gertenbach
Fotos: Innocent Meat