Veganz-Gründer Jan Bredack

Interview mit Veganz-Gründer Jan Bredack

Jan Bredack ist Unternehmer und Visionär. Als Gründer des Unternehmens Veganz hat er schon so einige Hürden genommen und ist nicht nur im Kreise der Food-Interessierten ein bekanntes Gesicht. Zahlreiche Interviews haben ihn bereits ausreichend als Person beschrieben, daher legen wir unseren Fokus auf sein Handeln als Unternehmer, Investor und Poster-Veganer. Er kennt sich mit der Entwicklung der veganen Szene in Deutschland und weltweit aus und gibt uns so mit seinen Ansichten und Voraussagen über die Zukunft einzigartige Einblicke rund um diese Thematik. 

Vor nicht allzu langer Zeit war Weihnachten und da stellt sich da ja natürlich für uns auch die Frage: Gab es im Hause Bredack wieder vegane Ente  – und viel wichtiger, was hat das eigentlich mit diesem Enten Mysterium auf sich? 

*lacht* Ja also bei uns gab es, wie fast jedes Jahr, Ente und das Enten Mysterium kommt eigentlich noch aus unserer Zeit, in der wir mit unseren eigenen Läden hantiert haben. Als die Presse dann 2011/2012 auf uns aufmerksam wurde, haben die sich immer an einer veganen Ente mit nachgemachter Haut hochgezogen, die wir seiner Zeit importiert haben, sodass es dann durch die Medien ging. Wenn man heute Veganz googelt, findet man ab und zu auch tatsächlich nochmal diesen Link zu der Ente. Wir selber haben gar keine vegane Ente mehr im Sortiment, das stammt tatsächlich aus unserer Zeit, in der wir sie aus Kanada und den USA importiert haben. Die waren noch verrückter, da wurden sie richtig nachgebaut. Jetzt haben wir aber nur noch so etwas wie Entenstücke im Laden. Aber das ist sehr nah dran!

Du hast mit Veganz bereits einige Wege über eigene Supermarktketten über Großhandel bis hin zur Stand-alone-Marke Veganz eingeschlagen und bist damit jetzt in ganz Europa auch im Einzelhandel vertreten. Wo steht ihr derzeit mit Veganz?

Richtig, wir haben zwei krasse Metamorphosen und Transformationsprozesse hinter uns und das geht leider immer mit Restrukturierung einher. Wir haben in der Vergangenheit sehr viel aufgebaut, das wieder eingerissen und dann wieder neu aufgebaut. Die Transformation vom Retail zum Großhandel war nicht ganz so schmerzhaft, sondern nur von sehr viel Wachstum getrieben. Wir sind dann ja innerhalb kürzester Zeit extrem gewachsen, von einem auf den anderen Tag waren wir plötzlich 400 Mitarbeiter. 

Der Wandel von einem Großhändler zu einem Markenartikel war schon sehr viel schwerwiegender und schmerzhafter, weil ich vieles zurückschneiden musste – wir haben sogar auf Umsatz verzichtet! Das ist sehr schwierig und gerade wenn man noch Geld sammeln muss, nicht profitabel ist und negatives Eigenkapital hat, wird es noch schwieriger.

Trotzdem haben wir es dann aus eigener Kraft gestemmt und mussten leider sehr viele Mitarbeiter auch wieder entlassen. Wir haben unsere komplette Organisation von links nach rechts gedreht und auf viele Dinge verzichtet. Das Geheimnis des Ganzen ist, dass wir auf Fokussierung gesetzt haben. Man kennt es ja aus jedem Lehrbuch und macht es dann trotzdem falsch. 

Wir haben quasi alles, was wir sonst so an Nebenkriegsschauplätzen hatten, wie Online Shops, eigene Restaurants, Bistros, Catering, Food Trucks und Events abgeschafft und nur noch Marke und unsere Produkte gemacht. Auch in der Marke haben wir uns sehr fokussiert, wir hatten ja auch schon einige Produkte auf dem Markt, haben das ganze Sortiment umgestellt, haben viele Produkte auch einfach wieder schweren Herzens rausgeschmissen, weil die Kennzahlen einfach nicht stimmten und die Neuproduktentwicklung zurückgefahren, einfach um ein bisschen auf das Kostenthema zu achten. 

Bist du denn mit den Entwicklungen und dem Weg, den du jetzt eingeschlagen hast, bis jetzt zufrieden? 

Ja absolut. Das kann ich heute voller Stolz und auch wirklich mit sehr viel Überzeugung sagen. Hättest du mich aber vor einem Jahr gefragt, hätte ich dir eine andere Antwort gegeben. 2018 war für uns ein wirklich hartes Jahr, da wir gerade erst aus der Stressphase und Umstrukturierung rauskamen. 2019 war hingegen sehr erfolgreich. Wir haben den Umsatz wieder um 30% gesteigert, unsere Kosten in den Griff bekommen, unsere Organisation so gestrafft, dass wir saubere Reportings hatten, und vieles mehr.

Ich hatte Ende 2019 seit meiner ganzen Unternehmensentwicklung seit 2010/2011 das erste Mal das Gefühl, dass wir da alle Großbrände gelöscht hatten und wir eine solide Basis hatten, auf der man drauf aufbauen und skalieren kann. 

Was auch noch dazukommt ist, dass sich die Marktbedingungen zu unseren Gunsten geändert haben. Vegan hat ja 2010 noch niemanden interessiert, da waren wir die ersten Vorreiter und mussten alle erstmal katholisch machen. Danach war es von 2013 bis 2015 ein riesiger Hype, den wir auch als Großhändler mitgenommen haben und dann ist es aber auch schon wieder eingebrochen. 

Darum gab es dann eine krasse Konsolidierung, aber da jetzt 2019 und die Vorzeichen von 2020 sichtbar sind kann man sagen, dass es kein Stohfeuerchen oder Trend mehr ist, sondern jetzt ein gesellschaftlich mehr und mehr anerkanntes Thema, das für die nächsten Jahrzehnte das Klima, die Umwelt und die Gesundheit der ganzen Gesellschaft prägen wird. Wir sind da jetzt eine der Ersten, die mal die Tür aufgemacht haben.

Wie kann man das, was gerade in unserer Gesellschaft in Bezug auf Nachhaltigkeit, Veganismus und umsichtigem Handeln passiert, greifen? Ist das tatsächlich nachhaltig?

Ja, ist es. Ich kann dir auch sagen warum, da gibt es eine ganz einfache Erklärung: Als wir 2011/2012 gestartet sind, war unser Angebot eher für auf eine ganz kleine Zielgruppe ausgerichtet. Es war auch tatsächlich oft eine elitäre Zielgruppe, sehr gut gebildete Leute und in der Regel auch Frauen. Über 90% unserer Kunden waren weiblich und über 60% akademisch geprägt, diese Zahlen treffen heute aber nicht mehr zu. Denn heute diffundiert es mehr und mehr in andere gesellschaftliche Schichten und bekommt deshalb auch eine Relevanz im Discount. 

Auch die Leute, die damals nicht so weit blicken konnten, sehen jetzt so eine gewisse Notwendigkeit, dass man etwas tun kann und finden auch heraus wie. Je einfacher und mundgerechter man das serviert und je klarer die Botschaften sind, desto besser ist es. 

Zum zweiten Punkt, wieso die Entwicklung nachhaltig ist, zeigen die Industrie und das Kapital. Das Kapital sucht sich seinen Weg, um sich zu mehren, weil darauf das System angelegt ist. In der Vergangenheit hatten wir eine große Technikwelle, momentan sind wir in Mitten der Elektroautowelle. Aber das Thema Food ist noch unterbelichtet. Da ist ein Bedarf, der sich darin zeigt, dass sehr viele Investments in den letzten Monaten (in den USA schon in den letzten zwei Jahren), in das Thema Food und Food Technologie schießen. 

In dem Moment, in dem Geld reinfließt, in dem auch Nestle, Unilever und Co anfangen ihre Strategien danach auszurichten, in plantbased Produkte zu investieren, ist es zwangsläufig vorgegeben, dass da auch ein gewisser Revenue und eine damit einhergehende Nachhaltigkeit dranhängt. 

Wie siehst du die Startup-Entwicklungen dahingehend in Deutschland? Wofür steht jetzt zum Beispiel Berlin genau? 

Käse und Milchersatz zum Beispiel. Das machen wir bei Veganz zum Beispiel auch selbst und forschen daran. Das wissen bisher nur die wenigsten Leute. Wir entwickeln den Großteil unserer Produkte selbst. Gerade bauen wir hier in Berlin eine eigene Käseproduktion auf. Wir haben nämlich gerade ein Startup übernommen, das fast pleite war. 

Hier in Berlin gibt es drei oder vier Food Startup Courts, bei denen sich die Branche trifft und tummelt. Ab und zu bin ich auch mal aus Investmentsicht da und schaue mir an, was da geht. Es ist bunt gemischt, aber es ist natürlich auch viel Schrott dabei. Hier und da findet man aber auch richtig coole Perlen, sodass auch ausländische Entwickler und Investoren hier nach Berlin kommen.

Was hältst du davon, dass große Konzerne wie Wiesenhof mit der PHW Gruppe, Pharmakonzerne oder andere große Unternehmen, gerade sehr stark in alternative Proteine investieren?

Iglo ja auch seit heute. Es ist gut, das ist ja genau das, was ich vorhin sagte. Wenn die Big Guys jetzt anfangen in diesen Zweig zu investieren, kannst du endlich noch von einer nachhaltigen Entwicklung reden. 

Die Konzerne werden alles daransetzen, um diese Kategorie zu puschen. Den Bereich gab es ja bis vor wenigen Jahren noch gar nicht. Wenn ich mich daran erinnere, wie ich mit Edeka, Rewe oder Kaufland angefangen habe und mitunter keinen eigenen Einkäufer hatte. Ich musste damals meine Sachen beim Fleischeinkäufer präsentieren. Die wussten gar nicht, wo sie mich hinstecken sollten! 

Heute hat jeder große, gute Einzelhändler einen Spezialisten für das Thema und es gibt diese Kategorie vegan jetzt endlich. Aber ich finde die Entwicklung super. Die Hardcore-Vegan-Szene wettert da ein wenig dagegen, da sie die Befürchtung haben, dass durch die großen Player der Markt kaputt gemacht wird. Ich finde, das ist totaler Quatsch. Der Markt existiert ja quasi noch gar nicht richtig, er ist mit unter einem Prozent vom gesamten Lebensmittelmarkt ein Nukleus. Wenn das richtig losgeht und explodiert, dann ist so viel für alle Leute da, dass keiner Angst haben braucht. Wir sind noch lange nicht im Verdrängungsmodus.

Also ist auf diesem Markt noch viel Luft nach oben?

Absolut! Es ging in Deutschland noch gar nicht richtig los, in den USA schon eher. Aber in den USA muss man fairerweise sagen, auch nur regional. Da hast du die Region um San Francisco, Portland, San Diego und Los Angeles und dann hast du drüben auf der Ostseite Washington, Boston und New York. Das war‘s. Den Rest von den USA kannst du ignorieren, da passiert noch nicht viel mit vegan in der Bevölkerung. Jedoch, alleine an der Ostküste hast du schon 100 Millionen Leute, der Markt deckt also schon einmal ein Viertel der USA ab.

Du bist doch selber auch als Investor aktiv. Worauf konzentrierst du dich dabei und was sind Themen, die dich als Investor locken würden?

Aus eigener Erfahrung gucke ich immer zuerst auf das Produkt, auf die Relevanz für den Markt und wie viel Differenzierung dieses Produkt mit sich bringt. Es kann natürlich auch einmal sein, dass ein Produkt nicht differenziert, jedoch trotzdem eine Überlegung wert wäre. So war es auch mit unserem Käse, der ist zwar geschmacklich super, es gibt aber schon ein paar Käse auf dem Markt. Wenn das Produkt keine große Innovation darstellt, interessiere ich mich für den Purpose und auch den Unternehmer, der dahintersteht. Wie ist die Unternehmung aufgebaut, auf welchem Wertesystem basiert sie, wie ist das Setup? 

Also sind Rohstoffe und ähnliches für dich erst einmal nicht so relevant?

Erst im dritten Step. Natürlich gucken wir uns auch die Rohstoffe, die Lieferketten, Chancen, Möglichkeiten und die Wertschöpfung bei der Firma an. So war es auch bei der, die wir übernommen haben. 

Kannst du Namen nennen?

Nein, das kann ich nicht sagen. *lacht* Ich schaue auch nicht auf die Profitabilität, das ist totaler Schwachsinn in so einer Phase. Leider erlebe ich auch oft Unternehmer mit einem coolen Produkt aber auch reichlich Flausen im Kopf: Da ist zum Beispiel der Preis zu hoch oder sie haben überhaupt keine Ahnung, wie sie das Produkt im Markt positionieren sollen. Die Frage, ob man es im Retail oder lieber online anbietet ist nicht geklärt. Es herrscht oft so viel Unwissen, aber so ging es mir ja auch einmal. Wir haben auch unsere Lektion gelernt und ich berate ja hier und da auch Unternehmen, um ihnen zu helfen, am Markt Fuß zu fassen und sich nachhaltig zu etablieren. 

Sehen wir uns im Food Innovation Camp im Juni und worauf würdest du dich freuen, wenn du dabei bist? 

Ich bin der Meinung, dass wir uns da sehen, ja! Und auf was ich mich freue ist, dass ich dort auch meine Suche fortsetzen kann. Mittlerweile ist es ja so, dass ich nicht mehr aktiv auf der Suche sein muss, sondern viele Anschreiben bekomme, in denen Menschen auf sich und ihr Produkt aufmerksam machen wollen. Ich schaue mir aber, wenn es geht, trotzdem die Leute und das Projekt immer an. Hin und wieder findet man einen Diamanten, kann eigene Ideen miteinander verknüpfen oder sich gegenseitig befruchten. Natürlich bin ich sehr stark im pflanzlichen Bereich unterwegs, aber ich habe auch schon mit Firmen wie Grillido oder ähnlichen Kooperationen gehabt. Rügenwalder habe ich auch jahrelang beraten und mit denen erfolgreich gearbeitet. Ich bin in dieser Hinsicht nicht dogmatisch, dass ich mit “denen vom Fleisch” nichts zu tun haben möchte. Ich scheue mich da nicht, wenn es der Sache dient. 

Lieber Jan, dann freuen wir uns auf dich und ich danke dir vielmals für deine Zeit, das waren ganz viele, tolle Inputs.

Am 15. Juni startet wieder das Food Innovation Camp

Wer beim Food Innovation Camp 2020 dabei sein will, der kann sich hier schon mal ein Ticket sichern! Bis zum 31. Januar gibt es noch Tickets zum Earlybird-Preis!

Beitragsfoto: Jan Bredack