Muttels – ein Unverpacktladen als Sprungbrett für Startups

Plastikmüll ist ein Problem, das uns alle betrifft. Glücklicherweise kann jeder etwas dagegen tun, zum Beispiel wo es geht auf Verpackungen zu verzichten. Möglich machen das immer mehr Unverpacktläden. Einer von ihnen ist Muttels aus Hamburg, der zudem Startups die Chance gibt, ihre Produkte im Markt zu testen.

Victoria Seidel hat ihr BWL-Studium mit zwei Schwerpunktthemen absolviert: Schifffahrt und Rohstoffhandel. Beides konnte sie in ihrem späteren Berufsleben auf die eine oder andere Weise gebrauchen, zunächst war sie aber von 2007 bis 2009 bei dem Solarunternehmen Conergy für die Liquiditätsplanung zuständig. Keine dankbare Aufgabe, denn Conergy hatte ständig mit Finanzproblemen zu kämpfen und existiert inzwischen nicht mehr.

Fridays for Future brachte die Idee zu Muttels voran

2010 gründete Victoria mit ihrem Mann Guy die SeeSource GmbH. Zum Unternehmen gehören ein Kosmetikstudio und die Produktion von textilen Souvenirs für Passagiere von Segelkreuzfahrten. Eigentlich war schon länger geplant, diesen Geschäftsbereich auszubauen, Ladenfläche im schönen Hamburger Stadtteil Uhlenhorst war vorhanden. Corona machte diesem Vorhaben allerdings einen Strich durch die Rechnung. Das hatte aber auch seine Vorteile, denn so konnte Victoria ein neues Projekt noch schneller vorantreiben.

Aufgerüttelt durch Fridays for Future und kritische Fragen ihrer Kinder machte sich die vierfache Mutter zunehmend Gedanken darüber, was sie zu einer besseren Zukunft beitragen könnte. Über die Weihnachtstage 2019 wurden ihre Überlegungen konkreter, sie belegte ein Online-Seminar von Original Unverpackt, dem Berliner Pionier in Sachen Verkauf unverpackter Lebensmittel. Danach gingen die weitere Planung und Vorbereitung ziemlich zügig voran, obwohl auch hier Corona zeitweilig auf der Bremse stand.

Vegan, ohne Palmöl und Zusatzstoffe – und natürlich unverpackt

Am 19. Juni war es dann so weit: Der Unverpacktladen Muttels feierte seine Eröffnung! Natürlich nicht als rauschendes Fest und mit einem Besucherandrang wie bei einer neuen Apple-Filiale, aber es gibt schon Stammkundinnen und langsam spricht sich herum, was das Geschäft zu bieten hat. Alle Produkte sind vegan, möglichst regional und kommen ohne Palmöl und Zusatzstoffe aus. Im Angebot befinden sich zum Beispiel Gummibärchen ohne Gelatine und künstliche Aromen. Nicht ins Sortiment geschafft haben es dagegen Minibrezeln, denn für ihre Herstellung wird Palmöl verwendet.

Muttels-Gründerin Victoria Seidel mit einer Auswahl aus ihrem Angebot.
Gründerin Victoria Seidel mit einer Auswahl aus ihrem Angebot.

Und natürlich sind alle Waren unverpackt. Okay, fast alle, denn Muttels führt auch gekühlte Waren, ungewöhnlich für die Branche. Tempeh, ein fermentiertes Sojaprodukt, hält tiefgefroren einfach wesentlich länger, muss dafür aber in Plastik verpackt werden. Das ist jedoch die absolute Ausnahme. Ebenso konsequent ist Muttels bei der Auswahl an pflanzlichen Alternativen zu tierischen Produkten. Joghurts auf Sojabasis von yummicultures gehören dazu, ebenso Käseersatz von Cashewrella.

Zusammenhalt wird großgeschrieben in der Szene

Andere Sortimentsbeschränkungen macht Muttels aus nachbarschaftlicher Solidarität. So gibt es weder Obst und Gemüse noch Backwaren oder Tee, denn all das bieten auch Läden in unmittelbarer Umgebung und man möchte sich nicht gegenseitig Konkurrenz machen. Gute Zusammenarbeit besteht zudem mit vielen der weiteren zehn bis zwölf Unverpacktläden in Hamburg. Victoria spricht da leicht scherzhaft von der „Unverpackt-Selbsthilfegruppe“. Die kann beispielsweise dabei unterstützen, größere Mengen günstiger einzukaufen. Für die bundesweite Vernetzung gibt es den Verband Unverpackt e.V..

Das Logo von Muttels zeigt ein Originalfoto der Namensgeberin.
Das Logo von Muttels zeigt ein Originalfoto der Namensgeberin.

Zurück zu Muttels, das seinen Namen der Großmutter von Guy Seidel verdankt. Sie wäre dieses Jahr 100 Jahre alt geworden, hat einige Schicksalsschläge einstecken müssen und doch immer eine unverwüstliche Zuversicht ausgestrahlt. Legendär waren ihr Streuselkuchen und ihre Kartoffelklöße. All das macht sie einer idealen Namenspatronin für das Geschäft. Der gute alte Tante Emma-Laden schwingt da auch ein bisschen mit, wobei Muttels zugleich in der Startup-Welt verankert ist.

Startups als Partner willkommen

Zu den Lieferanten gehört auch gleem, über dessen gluten- und zuckerfreie Süßwaren und seine Produktionsküche wir schon berichtet haben. Andere Startups, die die Muttels-Kriterien erfüllen, sind eingeladen, das Sortiment zu erweitern. Gefragt sind beispielsweise süße und herzhafte Snacks, Burger Patties und andere Fleischersatzprodukte sowie Kosmetik- und Haushaltsartikel, denn auch die führt der Laden. Somit bietet Muttels Startups eine gute Möglichkeit, ihre neuen Produkte bei einer aufgeschlossenen Zielgruppe zu testen und erstes Feedback zu bekommen – ganz unverpackt.