Impressionen von der Farm & Food 4.0 in Berlin
Bei den großen Zukunftsfragen ist die Landwirtschaft in letzter Zeit immer mehr in den Mittelpunkt gerückt. Sie steht vor großen Herausforderungen und Umwälzungen, wie die gesamte Ernährungsbranche. Der Kongress Farm & Food 4.0 in Berlin bot diese Woche einen Überblick über die neusten Entwicklungen und heißesten Themen. Wir waren auch da und fassen unsere Eindrücke zusammen.
Wer eine zünftige Landwirtschaftsmesse mit Traktoren und Zuchtbullen in geräumigen Ausstellungshallen erwartete, war auf der Farm & Food am 20. Januar an der falschen Adresse. Schon der Namenszusatz „4.0“, der an ein Softwareuptdate erinnerte, machte deutlich, dass der Fokus hier vor allem auf moderne Technologien lag. Dementsprechend bezeichnete der Veranstalter, der Deutsche Bauernverlag, das Event als „Kongress zu Innovation und Digitalisierung im Agrar- und Foodbereich.“
Farm & Food 4.0 lockte über 500 Besucher
Das Konzept kam an, über 500 Teilnehmer hatten sich im Berlin Congress Center am Alexanderplatz eingefunden. Sie erlebten Gesprächsrunden, in denen eine Vielzahl an Themen und Positionen angesprochen wurden. Ist die Auswertung von immer mehr Daten in der Landwirtschaft der richtige Weg, oder ist vielleicht sogar die Rückbesinnung auf altbewährte Methoden die bessere Alternative? Wie lässt sich das Vertrauen der Verbraucher in landwirtschaftliche Produkte stärken und eine höhere Identifikation mit ihnen erreichen?
Eine Antwort darauf hoffen Julia Dalmadi und Marie Populus gefunden zu haben. Sie wollen mit SuperCoop einen kooperativen Supermarkt in Berlin eröffnen. Die Mitglieder zahlen einen einmaligen Beitrag, verpflichten sich zu drei Stunden Arbeit pro Monat für die Kooperative und können dafür bei der Geschäftsführung und der Gestaltung des Sortiments mitbestimmen. Ziel ist es unter anderem, vor allem mit lokalen Produzenten zusammenzuarbeiten und größtmögliche Transparenz zu gewährleisten. Zugleich soll das Angebot für alle bezahlbar sein, weshalb bio nicht verbindlich ist. Es muss sich zeigen, ob dieses Konzept in einer Stadt wie Berlin mit einem Überangebot an Supermärkten einschlägt. Erfolgreiche Vorbilder aus New York und Berlin machen zumindest Mut.
Heißes Eisen Gentechnik
Während Akzeptanz für ein neues Supermarktproblem sicherlich kein Problem ist, sieht das bei der Gentechnik ganz anders aus. Zumindest in Deutschland und weiten Teilen Europas stoßen gentechnisch veränderte Lebensmittel weitgehend auf Ablehnung. Dabei ist schon die Definition von gentechnisch veränderten Organismen (GVOs) umstritten. Ein Urteil des Europäischen Gerichtshof aus dem Jahr 2018 macht das deutlich. Demnach müssen auch Pflanzen entsprechend gekennzeichnet werden, die mithilfe der CRISPR/Cas-Methode entstanden sind. Bei diesem Verfahren wird das Genom gezielt, aber nur geringfügig verändert, wobei kein Genmaterial von anderen Arten verwendet wird, wie sonst bei Genmanipulationen üblich.
Dr. Markus Nießen vom Biotech-Unternehmen KWS SAAT betonte auf der Farm & Food, dass die auch „Genome Editing“ genannte Methode nur ein weiteres Werkzeug für die Pflanzenzüchtung sei. Sie würde ähnliche Resultate wie die natürliche Züchtung durch Kreuzung und Selektion liefern, nur schneller und zielgerichteter. Das Ergebnis seien Pflanzen, die mit beispielsweise wechselnden Umweltbedingungen besser zurechtkämen und weniger Schädlingsbekämpfungsmittel erforderlich machten. Die Position der Skeptiker vertrat Gunter Backes von der Universität Kassel. Er forderte eine Orientierung hin zur ökologischen Landwirtschaft und weg von der industriellen Produktion. Bezüglich der GVOs gab er zu bedenken, dass die Fragen nach der Umweltverträglichkeit und den Patent- und Besitzrechten nicht ausreichend geklärt seien. Bei diesem kontroversen Thema bestehen also noch viel Aufklärungs- und Forschungsbedarf.
Gehört Fleisch aus dem Labor die Zukunft?
Mit Gentechnik nichts zu tun hat die künstliche Produktion von tierischem Proteinen. Trotzdem hat auch sie mit Imageproblemen zu kämpfen, das zeigt sich schon an Begriffen wie „Laborfleisch“ oder „In-Vitro-Fleisch“. Wesentlich sympathischer ist da schon die englische Bezeichnung: „Clean Meat“. Die Namensgebung ist aber natürlich nur Nebensache, viel wichtiger sind die Herausforderungen und Chancen, die sich aus der Technologie ergeben. Die Zucht von Nutztieren, besonders Rindern, verbraucht viel Fläche und Ressourcen und hat eine äußerst negative CO2-Bilanz. Kein Wunder, dass viele Startups und etablierte Unternehmen nach Alternativen suchen, auf der Food & Farm vertreten durch Brian Spears (New Age Meats) und Laura Gertenbach (Innocent Meat) sowie Marcus Keitzer (Wiesenhof).
Bisher gelingt es nicht, Fleisch aus Zellkulturen in ausreichenden Mengen und zu marktgerechten Preisen herzustellen. Brian Spears kündigte aber an, bereits im kommenden Jahr Schweinefleisch aus dem Labor anbieten zu können. Selbst wenn das klappt; ob es dann auch in Europa erhältlich sein wird, steht auf einem ganz anderem Blatt. Ein Problem könnte die Novel Food Verordnung werden, die für die Einführung neuartiger Lebensmittel strenge Regeln aufgestellt hat. So wartet beispielsweise der vegane Eiersatz Just Egg, in den USA und anderen Ländern schon ein Riesenerfolg, hierzulande noch auf seine Zulassung.
Fortsetzung folgt bei Food Innovation Camp!
Um die Akzeptanz von Proteinalternativen in Deutschland weiter zu erhöhen, wurde kürzlich der Verband BALpro gegründet. Fabio Ziemssen, einer der Initiatoren und bei Farm & Food auf der Bühne, erklärte uns im Interview dazu: „Wir haben den Anspruch, das Thema nicht mittels einer ideologisch geführten Diskussion voranzutreiben, sondern es rein innovations-, zukunfts- und technologiebezogen zu betrachten und zu gestalten. Wir sprechen uns also für Technologien und Alternativen aus, die das bestehende System ergänzen und verbessern können.“
Das Thema wird uns beim Food Innovation Camp am 15. Juni ebenfalls beschäftigen und Fabio wird auch dabei sein. Am besten, ihr sichert euch gleich euer Ticket, bis zum 31. Januar gilt nämlich der Early Bird Preis!