Regionique sorgt mit kurzen Wegen für mehr Nachhaltigkeit
Regionales Obst und Gemüse kennt jeder, aber wie sieht es bei Lebensmitteln aus, die aus verschiedenen Zutaten bestehen? Das geht Regionalität nicht, ist oft die Antwort. Geht nicht gibt’s nicht, kontert das Startup Regionique und bietet Müslis und Nudeln komplett aus heimischen Quellen.
Wenn es um gesunde Ernährung geht, bringt Sabine Bingenheimer-Zimmermann jede Menge Fachwissen und Erfahrung mit. Nach ihrem BWL-Studium arbeitete sie im Marketing einer Tochterfirma der Südzucker AG. Regelmäßig bekam sie Schulungen zu Ernährungsfragen und weiß jetzt so ziemlich alles über Zucker. Ihre nächste Karrierestation war eine Tochter des Pharmakonzerns Merck, wo sie sich im Innovationsmanagement mit Diätprodukten beschäftigte, die auch im Teleshopping zu erwerben waren.
Wie regional ist eigentlich Müsli?
Ihre ersten Schritte als Unternehmerin, als Mitgründerin der Marke Charlotte Eden, führten noch nicht zum erhofften Erfolg. Die mit Protein angereicherten Produkte konnten sich langfristig am Markt nicht durchsetzen. Um ihren reichhaltigen Erfahrungsschatz weitergeben zu können, gründete sie 2018 Die Produktfabrik, die bei der Entwicklung von Marken und Produkten berät. 2019 wurde sie quasi zu ihrer eigenen Kundin, denn sie entwickelte die Idee für ein neues Startup.
Dafür hinterfragte Sabine ihr eigenes Konsumverhalten. So versucht sie, Plastik möglichst zu vermeiden und bevorzugt auf dem Wochenmarkt statt im Supermarkt einzukaufen. Klimafreundlich und nachhaltig sind da passende Stichworte, und vor allem: regional. Bei frischen Produkten wie Gemüse, Obst und Fleisch ist die Regionalität noch leicht zu überprüfen, aber bei verarbeiteten Lebensmitteln mit einer Reihe von Bestandteilen? Da wird es kompliziert.
So fand sie heraus, dass es kein Müsli gab, das ausschließlich aus in Deutschland angebauten Zutaten besteht. Und das sei auch nicht zu realisieren, teilte man ihr mit. Das wollte sie so nicht stehen lassen, machte sich auf die Suche nach Landwirten auf ihrer Wellenlänge und brachte unter dem Markennamen Regionique im Herbst 2020 die ersten Produkte auf den Markt. Unterstützung auf dem Weg dorthin gab es seit September 2019 von dem Impact Investor 4L Vision.
Regionique macht als Kilometerzähler Lieferwege transparent
Regionique hat Müsli, Flocken und Nudeln im Angebot, komplett aus Zutaten aus deutschen Landen. Was das konkret ausmacht, wird eindrucksvoll deutlich, wenn man sich die Lieferwege anschaut. Regionique betätigt sich als Kilometerzähler, per QR-Code auf der Verpackung lässt sich nachvollzeihen, wo alles herkommt und wie viele Kilometer dafür zurückgelegt wurden. Bei Müsli sind das zum Beispiel 5.000. Klingt viel, ist aber nur ein Bruchteil dessen, was bei nicht-regionaler Zusammensetzung anfällt; da kommen schnell 50.000 Kilometer zusammen.
Was das für die CO2-Bilanz und die Umwelt bedeutet, müssen wir hier gar nicht weiter ausführen. In Sachen Nachhaltigkeit kann deshalb regional sogar bio schlagen, wenn die Bioprodukte aus dem europäischen Ausland oder gar aus Übersee kommen. Leider lohnen sich lange Transportwege und die damit verbundenen Kosten aus betriebswirtschaftlicher Sicht oft trotzdem, weil vor allem die Löhne in anderen Ländern oft erheblich niedriger sind. Ein berühmt-berüchtigtes Beispiel sind die Nordseekrabben, die in Marokko gepult werden.
Die Herausforderung: die Geschichte zu erzählen
Regionale Produkte haben also ihren Preis und das schlägt sich auch bei Regionique nieder. 450 Gramm Müsli kosten je nach Sorte bis zu 6,95 Euro, 400 Gramm Bandnudeln 2,95 Euro, beziehungsweise 3,95 Euro mit Frischei. Das alles lässt sich begründen und wer die Geschichte dahinter kennt, ist auch eher bereit so viel zu bezahlen. Online über den Webshop, mit dem Regionique gestartet ist, fällt die entsprechende Kommunikation leichter. Die wahre Herausforderung beginnt im Einzelhandel, wo Kaufentscheidungen in Sekundenschnelle fallen.
Dabei sind Müsli und Nudeln eigentlich klassische Handelsprodukte. Rund 50 Märkte in ganz Deutschland beliefert Regionique mittlerweile und es sollen noch viele mehr werden. Auch sind weitere Produkte in Planung, ebenso ein Ratgeber, der erklärt, wie man sich „kilometerfreundlich“ ernähren kann. Der wird voraussichtlich noch in diesem Jahr erscheinen. Es wird sicherlich auf geschicktes Marketing und positive Medienpräsenz ankommen, um die Marke voranzubringen. Preise und Auszeichnungen können da gewiss nicht schaden: 2021 gewann Regionique den German Brand Award in der Kategorie Brand Impact of the Year. Unser Beitragsbild zeigt übrigens Sabine bei der Preisverleihung.
Fotos: Regionique