So hat die UNMILK-Gründerin den Sprung von Tech zu Food geschafft
Das erste Startup gründet Jennifer Schäfer vom Sofa aus. Bei der zweiten Gründung lässt sie sich vor allem von ihrer Leidenschaft treiben und stellt eine Menge Fragen. Es sind wohl die richtigen gewesen, denn die Milchalternativen ihres Startups UNMILK sind nicht nur im eigenen Online-Shop erhältlich, sondern auch in verschiedenen Drogerien und bald im großen Lebensmitteleinzelhandel. Wir haben mit Jennifer über ihre Erfolgsgeschichte gesprochen.
Die erste Gründung und der erste Exit
Ihren beruflichen Hintergrund hat Jennifer ursprünglich im Marketing. Nach dem Studium an der Hochschule Fresenius in Köln geht es über Stationen in Agenturen bis hin zu Google. Dabei ist sie vor allem im Bereich Online-Marketing unterwegs.
Die Gründung von DailyDress folgt fast einer Bilderbucherzählung. Die Ideen dafür werden auf dem Sofa mit einem Getränk in der Hand entwickelt. „Wir wollten einfach mal schauen wie weit wir damit kommen und das war im Endeffekt ziemlich weit.“, erinnert sich Jennifer. „Wir“, das sind neben ihr selbst Laura Karim und Marius Murtz. Das Trio gründet DailyDress 2016, hauptsächlich aus dem Spaß daran, mal etwas Neues auszuprobieren. Die App fungiert als digitaler Kleiderschrank und macht Outfitvorschläge passend zu Anlass, Wetter oder Stimmung. Außerdem gibt es durch die intelligente Software Empfehlungen dazu, welche Teile aus bestimmten Online-Shops besonders gut zum vorhandenen Outfit passen. 2018 übernimmt Picalike das junge Startup. Jennifer bleibt zunächst mit an Bord. Picalike arbeitet ebenfalls mit Bilderkennungs-Software und ist deshalb ein guter Fit.
Auf die erste Gründung blickt Jennifer Schäfer als sehr lehrreiches Kapitel zurück. Das Netzwerk und die Kontakte aus dieser Zeit sollen später auch für das nächste Startup UNMILK hilfreich sein. Bei dem treibt sie vor allem ihr eigener Wunsch nach einer bessere Milchalternative an. Als direkte Zielgruppe von DailyDress hat sie sich selbst nie gesehen, aber Food-begeistert ist sie schon immer gewesen.
Einfach mal machen
Viel Vorwissen aus dem Food- und Beverage-Bereich bringt die Entrepreneurin nicht mit. Dafür aber den Blick der Konsumenten und eine Menge Neugier, denn ihre eigene Suche nach einem leckeren, nachhaltigen und gesunden Milchersatz für Kaffee oder Müsli bleibt erfolglos. Zu oft enthalten vegane Optionen Zuckerzusätze, nicht genug Protein oder sind trotz pflanzlichen Ursprungs nicht sehr umweltfreundlich. Die beliebte Hafermilch enthält wenig Eiweiß, Alternativen mit Erbsenprotein sind oft ohne Zucker bitter im Geschmack. „Das muss doch irgendwie anders gehen“, ist ihre logische Schlussfolgerung.
Gesagt, getan. Jennifer sieht ihre Chance es besser zu machen und entwickelt in der eigenen Küche die erste Rezeptur. Außerdem holt sie sich Input von außen und lernt dazu. „Ich habe immer viele Fragen gestellt und vor allem Leute gefragt, die es besser wissen als ich“. Diese Offenheit als Quereinsteigerin zahlt sich aus. Im Februar 2020 gründet sie das Startup UNMILK, im darauffolgenden September folgt schon der erste Launch mit einem veganen Protein-Shake in verschiedenen Geschmacksrichtungen.
Neue Branche – neue Herausforderungen
Der Launch bringt ganz neue Herausforderungen mit sich, wie etwa den passenden Lohnabfüller zu finden. Obwohl viele Betriebe in der Lage wären die veganen Protein-Shakes abzufüllen, verlangen die meisten zu hohe Abnahmezahlen oder zahlen nicht auf die gleichen Werte ein. Also rollt Jennifer das Feld von hinten auf und fragt sich durch. Sie will TetraPak-Verpackungen und erkundigt sich direkt bei dem Unternehmen, welche Lohnabfüller Partner sind. Ab da telefoniert sie sich durch die Kontakte, bis sie das richtige Match hat.
Die Lieferungen bringt Jennifer zu dieser Zeit noch selbst mit dem Fahrrad zur Poststelle. Das Produkt performt so gut, dass sie sich schnell Unterstützung holen muss, um die Nachfrage zu bedienen. Erste Gespräche mit potenziellen Investoren stehen schon früh an, und so gewinnt sie mit Square One Foods einen Partner, der UNMILK seit der Gründung unterstützt. Erst vor kurzem investiert Katjes Greenfood ebenfalls in das Startup. Den ersten Kontakt für diese Partnerschaft gab es auf dem digitalen FIC Select im letzten Juni.
UNMILK kann auch Rossmann überzeugen und landet mit einer Testlistung in etwa 20 auswählten Läden. Social Media Ads, die genau die Zielgruppe im Umkreis dieser Filialen finden, locken Neukunden an und die schlagen zu. Nach knapp vier Wochen ist die Marke in allen Rossmann-Filialen erhältlich. Ein voller Erfolg! Es dauert nicht lange, bis das Telefon klingelt und Starbucks anruft, um sich ebenfalls nach den Produkten zu erkundigen. „Ich dachte erst, dass es ein Scherz sein sollte“. Ist es aber nicht, sondern ein weiterer Meilenstein für UNMILK.
Die Tech-Erfahrung zahlt sich bei UNMILK aus
In den Anfängen des Startups kann Jennifer ihre Gründungserfahrung ausnutzen und weiß, worauf es ankommt. Alles wird getestet: Rezeptur, Logo, Markenname, Branding und Verpackung. Der Ansatz, kleine Hypothesen zu entwerfen und diese immer wieder zu überprüfen und zu testen, kommt ursprünglich aus dem Tech- und Softwarebereich. Jennifer kennt sich mit der Methode aus und überführt den Lean-Startup Ansatz auf das Food-Startup. Ihre Insights bekommt sie vor allem aus der Community online. Durch Corona ist es praktisch unmöglich, in direkten Kontakt mit potenziellen Kunden zu treten, um Meinungsbilder zu Geschmack und Verpackung einzuholen.
Dass die Tech- und Food-Welt sich doch stark unterscheiden, bekommt Jennifer schnell zu spüren, als sie mit ihren eingeholten Daten auf wenig Interesse im klassischen Einzelhandel stößt. Offline ist nicht gleich online – Erfahrung zählt hier mehr. Aufgearbeitete Präsentationen haben nicht so viel Gewicht, insgesamt läuft alles deutlich analoger ab. Sie bekommt sogar Faxe zugeschickt. „Das war schon ein ziemlicher Kulturschock“, erzählt sie schmunzelnd. „Ich musste mir dafür erstmal eine App runterladen“.
Für alles offen bleiben
Trotz dieser Unterschiede kann sie sich die Erfahrung anderer zu Nutze machen. So befolgt sie den Rat eines Experten, keine Verpackung mit einem komplett auf dem Kopf stehenden Aufdruck zu nutzen. Diese Variante würde zwar online Kunden überzeugen, aber auf der Ladenfläche eher verwirren. Heute ist sie froh, diesen Tipp beherzigt zu haben. Außerdem lässt sie sich alle Abläufe und Vorgänge erklären, die sie nicht versteht. „Ich dachte erst die Lebensmittelbranche wäre eine sehr geschlossene Gruppe. Aber ich habe viele Leute kennen gelernt, die hilfreich und aufgeschlossen sind.“
Tech und Food können Jennifers Meinung nach noch viel voneinander lernen. „Es ist eine total spannende Zeit und es gibt viel zu tun.“ Vor allem Gründerinnen ermuntert sie, sich nicht abschrecken zu lassen. Als Frau würde man im Startup-Bereich oft belächelt oder unterschätzt. Das kann aber auch Chance sein, gerade dann zu überzeugen und zu überraschen, sagt sie. Besonders als fachfremde Person hätte man einen frischen Blick auf Zusammenhänge und Abläufe. „Man nimmt nicht alles einfach so hin“.
Diese Überzeugung spürt man auch, wenn man mit Jennifer spricht. Mittweile hat sie ein Team aus sieben Leuten um sich, fast ausschließlich Quereinsteiger*innen wie sie. Das kombinierte Wissen aus Jennifers erster Gründung, dem ihres Teams und aus den vorherigen Tätigkeiten, bündeln sich mit einer Portion Leidenschaft in UNMILK. Neben den Protein-Shakes gibt es mittlerweile Haferdrinks und DIY-Pulver im Shop zum selbst anrühren. Letzteres ist eine echte Herzensangelegenheit, an der lang getüftelt wurde.
Jennifer brennt für ihre Marke und ist von den Produkten absolut überzeugt. Die Begeisterung ist ansteckend, auch bei den großen Handelsketten. UNMILK ist unter anderem bei den Drogerien Rossmann, Müller und Budni zu finden. Seit neustem auch bei Flink und Gorillas, und ab Ende Februar in einigen ausgewählten REWE Märkten. Wir sind gespannt, wohin es UNMILK noch führen wird.
Beitragsbild: Die Gründerin Jennifer Schäfer (Fotos: UNMILK)