Wie die Hamburger Gastronomie auf die Corona-Krise reagiert

Inzwischen gilt es einheitlich und bundesweit: Alle Restaurants bleiben wegen der Corona-Krise bis auf Weiteres geschlossen. Für die meisten Gastronomen eine katastrophale Situation, die sie innerhalb weniger Wochen in den Ruin treiben könnte. Doch die Branche verharrt nicht in Schockstarre, sondern macht mit zahlreichen Appellen und Aktionen auf sich aufmerksam. Wir zeigen am Beispiel Hamburgs, was dort gerade passiert.

#wirsindbereit

#wirsindbereit

Bereits am 17. März, als Restaurants zumindest noch beschränkte Öffnungszeiten gestattet waren, veröffentlichten über 100 gastronomische Betriebe auf Facebook einen offenen Brief an die Stadt Hamburg. Einen Tag später wurde daraus eine Online-Petition, adressiert an die Bundesregierung. Unter dem Hashtag #wirsindbereit wird dort unter anderem die Bereitschaft verkündet, einen Lieferdienst für Risikogruppen hochzuziehen und To-Go-Mahlzeiten bereitzustellen. Gleichzeitig enthält die Petition eine Reihe von aus Sicht der Unterzeichner dringend notwendiger Maßnahmen:

  • Sofortige und 100 prozentige Kostenübernahme aller Bruttogehälter (Vollzeit und Teilzeit) – denn ohne Trinkgeld reichen 60 Prozent Kurzarbeitergeld nicht aus
  • Fortzahlungen ausgefallener Arbeitsstunden für unsere Minijobber*innen und studentischen Aushilfen
  • Steuernachlässe anstelle von Stundungen und Aufschiebungen
  • Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis zum 01.03.2021
  • Rechtlicher Schutz vor Vollstreckungsmaßnahmen aufgrund von Dauerschuldverhältnissen (Miet-, Leasing- und Kreditverträge)

Weiterhin heißt es: „Bitte bedenken Sie: In der Gastronomie und in der Hotellerie gibt es keinen Nachholeffekt. Ein Essen, das wir heute nicht verkaufen, wird in zwei Monaten auch nicht verkauft. Wenn unsere Räumlichkeiten heute leer stehen, können in zwei Monaten nicht doppelt so viele Menschen kommen. Die Kosten aber türmen sich auf. Diese Rechnung geht nicht auf!“ Weit über 50.000 Personen haben die Petition bereits unterschrieben.

Kochen für Helden

Kochen für Helden

Ihren Ursprung in Berlin hat die Initiative „Kochen für Helden“. Ilona Scholl und Max Strohe vom Restaurant Tulus Lotrek hatten die Idee, kostenlos Essen für Menschen in Funktionsberufen zu kochen, also zum Beispiel Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegekräfte. So konnte sie ihre unfreiwillig gewonnene Zeit sinnvoll nutzen und Lagerbestände aufbrauchen. Inzwischen ist daraus eine Crowdfunding-Kampagne geworden. Auch Hamburger Gastronomen haben die Aktion inzwischen aufgegriffen, unter ihnen Starkoch Tim Mälzer. In einem Instagram-Post schreibt er:

„Wir Gastronomen kochen gerade (mit Maximalabstand zueinander und unter Beachtung neurotischer Desinfektionsvorschriften) unsere Kühlhäuser leer und haben dazu noch eine schier unbegrenzte Menge Bolognese am Start. Zusätzlich stellen unsere Großmärkte und Lieferanten uns gratis große Mengen an angestauter Ware zur Verfügung. Wir kochen also mit der Bazooka! Unsere Speisen würden wir gerne denen anbieten, die gerade nicht zuhause bleiben können, weil die Gesellschaft sonst vor die Hunde geht. Erste Kooperationen mit Ärztehäusern und Krankenhäusern laufen.“

Und er schließt mit folgendem Aufruf:

„Liebe Lieferanten!⠀⠀
⠀⠀
Wenn Ihr noch etwas in den Lagern habt, das Ihr nicht verkaufen könnt, und sowieso unterwegs seid, nehmen wir es Euch sehr gern ab! (Und: Wir wollen nichts haben, was ansonsten an die Tafel Deutschland e.V. gehen würde!)“

WIR FÜR DICH

Eine ähnliche Aktion hat der Foodeventclub gestartet. Unter dem Motto WIR FÜR DICH will er bedürftigen Hamburgern kostenlose Mahlzeiten zubereiten. In einer Ankündigung auf Facebook heißt es:

„Das können wir aber nicht allein und bitten um Mithilfe:
An alle Lebensmittelhändler, Bauern, Millionären und Gastronomen, wir bitten euch um Lebensmittelspenden jeglicher Art, um dieses Projekt auf die Beine stellen zu können. Aber auch Geldspenden sind herzlich willkommen von jedem, der den einen oder anderen Euro übrig hat, um fehlende Dinge zu kaufen.“

#SoliKüche

#SoliKüche

Auch die Kitchen Guerilla von Koral und Onur Elci, die schon bei #wirsindbereit und Kochen für Helden mitmacht, denkt an Wohnungslose und Bedürftige und kocht für sie. Bei ihrer #SoliKüche kann jeder mitmachen, heißt es auf der Webseite:

1. Ihr kauft für 7 Euro ein Essens-Paket aus der #SoliKüche über unseren Shop.

2. Wir bereiten die Mahlzeiten zu und stellen die Pakete zusammen. Dabei halten wir selbstverständlich die nötigen Sicherheitsabstände ein.

3. Wir geben die Mahlzeit an Initiativen für Wohnungslose und Bedürftige weiter, die wiederum dafür sorgen, dass eine kontaktlose Übergabe stattfindet.

#PayNowEatLater

Die Initiatoren von #PayNowEatLater: Patrick Kosmala (Taste Tours), Malte Steiert (Foodguide), Niclas Störmer (Urban Guru) und David Bernhard (Geheimtipp Hamburg).
Die Initiatoren von #PayNowEatLater: Patrick Kosmala (Taste Tours), Malte Steiert (Foodguide), Niclas Störmer (Urban Guru) und David Bernhard (Geheimtipp Hamburg).

Auf der gerade gegründeten Plattform #PayNowEatLater rufen vier Hamburger dazu auf, jetzt Gutscheine für Restaurants und andere in Schwierigkeiten geratene kleine Betriebe zu kaufen und diese einfach nach der Corona-Zeit einzulösen. Die Initiatoren Patrick Kosmala, Malte Steiert, Niclas Störmer und David Bernhard haben selbst eigene Unternehmen in der Foodwelt und wollen sie in ihrer ganzen Vielfalt erhalten. Die Erlöse aus dem Gutscheinverkauf fließen an die jeweiligen Partner, damit sie ihre Mitarbeiter bezahlen und laufende Kosten decken können.

Das Team arbeitet mit Hochdruck daran, möglichst schnell möglichst viele Partner ins Boot zu holen, für die online Gutscheine bestellt werden können. Wer ein Restaurant oder ein Café, eine Bar oder eine Boutique betreibt, kann sich online für die Aktion anmelden. Einfach einen Fragebogen ausfüllen und die individuelle Situation schildern – und natürlich auf den sozialen Kanälen auf #PayNowEatLater aufmerksam machen, damit sich noch mehr Menschen an dieser Initiative beteiligen.

One Beef

Eigentlich war Rolling Taste als Caterer für das OMR Festival im Mai vorgesehen und hat dafür sogar eigene Herford Rinder gezüchtet. Aus dem Festival wird in diesem Jahr aus bekannten Gründen leider nichts, das Fleisch ist aber verzehrbereit. Deshalb bietet Rolling Taste unter dem Aktionsnamen One Beef Fleischpakete und passende Zutaten und Getränke zum Bestellen an. Die rohen und küchenfertigen Produkte stammen von Weiderindern, die drei Jahre lang natürlich gewachsen sind und keine Endmast bekommen haben.

Alle hier vorgestellten Aktionen bilden nur einen kleinen Ausschnitt ab von dem, was jetzt überall passiert. So hat der Foodtruck Casita Oaxaca gerade eine Crowdfunding-Kampagne gestartet und Lesser Panda Ramen bietet Sets an, mit denen sich Suppen und andere Spezialitäten zu Hause nachkochen lassen. Viele Restaurants bieten Liefer- und Abholdienste an, um sich über Wasser zu holten. Das Café Mit Herz & Zucker beispielsweise bringt das Frühstück fast bis ans Bett. Am besten, ihr schaut mal auf den Webseiten eurer Lieblingsgastronomen vorbei und seht, wie ihr sie unterstützen könnt. Eine lebendige Gastronomie ist schließlich ein wichtiges Kulturgut und sollte unsere Solidarität wert sein.

Und da Geselligkeit zurzeit nur digital stattfinden kann, schießen immer mehr Videoangebote aus dem Boden. Foodboom, seit jeher stark bei Videocontent, bietet jeden Donnerstag um 16 Uhr auf YouTube einen Live Stream unter dem Titel WE ARE FOOD Mission Talks. Bei dem neuen Social-TV-Kanal ONE HAMBURG stand kürzlich eine Weinprobe auf dem Programm, am 27. März wird es eine Bierverkostung geben. Na dann, Prost!

Beitragsbild: Pixabay