20 tolle Tipps und Tricks für Food-Startups

Drei Tage lang brachte der Food & Beverage Innovators Online Summit in über 40 Videobeiträgen eine enorme Fülle an Informationen für Gründerinnen und Gründer aus der Food-Branche. Mit den dort besprochenen Themen könnte man ganze Bände füllen. Wir haben daraus eine Reihe von Tipps und Tricks herausgefiltert, die vor allem Neueinsteiger kennen sollten.

Insa Horsch hat jahrelange Erfahrung in der Food-Branche, leitet die Startup-Beratung Pahnke Open Kitchen und hat für Jungunternehmen in ihrem ersten Jahr gleich zehn gute Ratschläge parat:

  • Definiert eure Marktposition. Macht euch klar, wer eure Zielgruppe ist und in welchem Marktsegment ihr euch positionieren wollt. Orientiert euch dabei nicht nur an hippen Szeneläden, sondern auch am einfachen Supermarkt in der Kleinstadt. Für die Befragung potenzieller Kunden empfiehlt sich ein Fragebogen, dann können auch Freunde und Familienmitglieder möglichst neutral antworten.
  • Definiert euren Vertriebskanal. Der Einzelhandel ist zwar die Champions League, aber entsprechend hart ist auch die Konkurrenz. Reinkommen ist schwer genug, drinbleiben noch viel schwerer. Schnell landet ein neues Produkt auf einer sogenannten „Renner-Penner-Liste“ und zwar in der Kategorie „Penner“. Ein Geheimtipp von Insa: Versucht es zum Start mal auf einem Wochenmarkt, dort bekommt ihr unmittelbares Feedback von Kunden.
  • Redet über euer Produkt. Eine Befürchtung teilen viele Gründerinnen und Gründer: den Ideenklau. Stimmt, ein Produkt lässt sich relativ nachmachen, aber hinter einer guten Marke steckt fast immer noch sehr viel mehr. Also redet über eure Idee, auch mit vermeintlichen Konkurrenten. Vielleicht werdet ihr sogar zu Partnern, etwa bei der gemeinsamen Produktion.
  • Seid offen. Wer ein Startup gründet, begibt sich auf eine aufregende Reise. Neugier, Flexibilität, Experimentierfreude und die Bereitschaft, auch mal die Richtung zu ändern, sind da gefragt. Wer sich seiner Ziele nicht ganz sicher ist, sollte diese buchstäblich aufmalen. Visualisierung hilft!
  • Seid nicht perfekt. Das Paretoprinzip besagt, dass 80 % der Ergebnisse mit 20 % des Gesamtaufwandes erreicht werden. Nun sind 80 % für ein Startup schon eine ganze Menge. Setzt also Prioritäten und findet heraus, ob ihr die restlichen 20 % bis zur Perfektion wirklich braucht oder eure Zeit sinnvoller nutzen könnt.
  • Dosiert eure Social Media-Auftritte richtig. Gerade im Food-Bereich ist der Einsatz sozialer Medien wie Instagram sinnvoll und wichtig. Baut daher eure Reichweiten strategisch auf und verpulvert nicht eure besten Ideen gleich am Anfang, wenn die Zahl der Follower noch gering ist.
  • Denkt groß. Fast jedes Food-Startup ist zunächst eine Manufaktur und einige wollen über diesen Status auch gar nicht hinaus. Wenn aber der Lebensmitteleinzelhandel mit hunderten Filialen das Ziel ist, solltet ihr das bei euren Plänen von Beginn an berücksichtigen. Das finden auch Investoren gut.
  • Stellt gute Leute ein. Was Investoren ebenfalls gut finden, sind kompetente und eingespielte Teams. Spart deshalb nicht an den Mitarbeitern, das gilt auch für die Gehälter.
  • Bringt euer Pitchdeck auf den Punkt. Ein gutes Pitchdeck muss nicht mehr als zehn Seiten haben. Dort könnt ihr alle wichtigen Daten und Fakten unterbringen und Appetit auf mehr machen. Wenn das klappt, werden Investoren und andere Interessenten bestimmt noch mehr wissen wollen und Fragen stellen.
  • Belohnt euch. Gründen ist harte Arbeit. Übertreibt es nicht, gönnt euch Auszeiten, bittet um Hilfe, wenn ihr in Schwierigkeiten seid, und gönnt euch was, wenn es gut läuft. Es muss ja nicht gleich ein Porsche sein, aber auch Gründerinnen und Gründer verdienen eine faire Bezahlung.
Insa Horsch von Pahnke Open Kitchen und Bastian Schmidt-Vollmer von ZENK Rechtsanwälte (Foto: Growth Dock)
Insa Horsch von Pahnke Open Kitchen und Bastian Schmidt-Vollmer von ZENK Rechtsanwälte (Foto: Growth Dock)

Health Claim und Novel Food: So geht es mit rechten Dingen zu

Viele der genannten Tipps haben für Startups jeglicher Couleur Gültigkeit, doch in der Food-Branche kommen noch zusätzliche Herausforderungen hinzu. Bastian Schmidt-Vollmer von ZENK Rechtsanwälte hatte da einiges zum Thema Lebensmittelrecht zu erzählen. Wir picken zwei zentrale Themen heraus:

  • Health-Claims-Verordnung. Die Werbung lebt davon, Produkte möglichst positiv darzustellen. Ein Mittel sind Slogans wie „XYZ ist gut für deine Gesundheit!“ Ob so eine Aussage zulässig ist oder nicht, regelt die Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments, auch Health-Claims-Verordnung genannt. Demnach sind bestimmte Behauptungen über Produkte nur gestattet, wenn sie sich wissenschaftlich belegen lassen. Klar, dass es hier Grauzonen gibt. Manche Unternehmen gehen bewusst mit strittigen Werbebotschaften in den Markt, um mehr Aufmerksamkeit zu erregen. Dabei riskieren sie zumindest eine einstweilige Verfügung und den vorübergehenden Rückzug aus dem Handel. Das und der Wiedereintritt kann hohe Kosten verursachen und sich über Monate hinziehen. Startups können sich beides nicht leisten und sollten daher ihre Werbeversprechen vorher rechtlich absichern.
  • Novel Food. Auch hinter diesem Stichwort verbirgt sich eine EU-Verordnung. Betroffen sind davon alle Lebensmittel, die vor dem 15. Mai 1997 nicht in nennenswertem Umfang in der Europäischen Union für den menschlichen Verzehr verwendet wurden. Also frei nach dem Motto, „Was der Bauer nicht kennt, das darf er nicht einfach so essen.“ Über den „nennenswerten Umfang“ lässt sich natürlich trefflich streiten. Tatsache ist, dass zum Beispiel viele Produkte, die Gründerinnen und Gründer bei Reisen ins außereuropäische Ausland entdecken, unter die Verordnung fallen. Um sie trotzdem verkaufen zu können, ist ein aufwendiges Zulassungsverfahren mit Unbedenklichkeitsnachweis nötig.

Wie selo einen Rückschlag in eine Erfolgsgeschichte umwandelte

Ein Startup, das sich mit dem Problem Novel Food herumschlagen musste, ist selo aus Berlin. Gründerin Laura Zumbaum, wie sie 2015 mit ihrer Limonade aus der Kaffeekirsche an den Start ging. Die Kaffeekirsche, ein Abfallprodukt bei der Kaffeeernte, stand ursprünglich nicht auf der Liste der Verordnung. Als sie dann nachträglich als Novel Food eingestuft wurde, musste Laura den Verkauf ihres Erfrischungsgetränks stoppen. Sie verzichtete auf das Zulassungsverfahren und dachte völlig um. Statt wie bisher nur auf die Gastronomie setzte sie nun auch auf den Handel als Vertriebskanal und verwendete die grüne, ungeröstete Kaffeebohne als Rohstoff. Mit Erfolg, vom Erhalt des gelben Briefs mit dem Verkaufsverbot bis zur Regalplatzierung des neuen Getränks vergingen nur sechs Monate.

Tipps für die Finanzplanung beim Vertrieb im Einzelhandel

Michael Goblirsch (Foto: Square One Foods)
Michael Goblirsch (Foto: Square One Foods)

Welche Kosten rund um den Vertrieb über den Einzelhandel auf ein Startup zukommen können, hat Michael Goblirsch aufgelistet. Er ist Partner bei dem Wagniskapitalgeber Square One Foods und das sind seine wichtigsten Tipps:

  • Erstellt eine Umsatz- und Kostenplanung. Versucht, eine möglichst realistische Vorhersage über die wahrscheinlichen Kosten und Umsätze der kommenden zwei Jahre zu machen. Wenn unterm Strich kein positives Ergebnis steht, müsst ihr nachjustieren.
  • Holt euch eine Verkehrsfähigkeitsbescheinigung. Damit stellt ihr sicher, dass eure Produkte im Einzelhandel verkauft werden dürfen. Die Kosten dafür beziffert Michael zwischen 300 und 500 Euro pro Artikel. Hinzu kommen noch jeweils bis zu 200 Euro für eine Etikettenprüfung.
  • Stellt auf Warenbörsen aus. Warenbörsen sind eine gute Gelegenheit für Startups, sich Einkäufern aus dem Handel vorzustellen. Mit der Teilnahmegebühr und den Kosten für die Standausstattung und das Personal kommen da bis zu 5.000 Euro zusammen.
  • Testet mit Displaywerbung. Die Gefahr, als neues Produkt im Regal übersehen zu werden, ist groß. Abhilfe schafft da Displaywerbung mit Aufstellern an gut sichtbaren Orten im Supermarkt. Michael beziffert die Kosten für Herstellung und Bestückung eines solchen Aufstellers mit rund 50 Euro pro Exemplar.
  • Obacht bei den Preisverhandlungen. Ein Produkt hat viele Preise: Einkaufspreis, Verkaufspreis, Nettopreis und so weiter. Berücksichtigt bei euren Kalkulationen alle Faktoren, also Steuern, Rabatte, Skonto und Sonderkonditionen und sorgt dafür, dass ihr am Ende noch vernünftige Gewinne machen könnt. Argumentiert bei den Preisverhandlungen nicht zu sehr über eure Kosten, sondern mehr mit der besonderen Qualität und Unverwechselbarkeit eurer Ware.
  • Organisiert euren Außendienst. Wer im Einzelhandel dauerhaft Fuß fassen will, benötigt einen aufmerksamen Außendienst. Der ist natürlich mit hohen Kosten für Personal und Mobilität (Dienstfahrzeug) verbunden, die Startups nicht immer aufbringen können. Eine Alternative sind Agenturen, die sich darum kümmern. Eventuell können sich auch mehrere Startups zusammenschließen und einen gemeinsamen Außendienst aufbauen.
  • Bei Pfandpflicht: Mehrweg oder Einweg? Bei den meisten Getränken besteht Pfandpflicht und schon aus Gründen der Nachhaltigkeit scheint Mehrweg mit wiederverwertbaren Flaschen die bessere Lösung. Sie ist allerdings auch die teurere. Die Produktion und Bereitstellung der geeigneten Flaschen und Kisten kann schnell einen sechsstelligen Betrag verschlingen.
  • Legt einen finanziellen Puffer an. Zwischen Produktion einer Ware und ihrem Verkauf vergehen, je nach Haltbarkeit, oft Monate. Ihr habt also immer wieder finanzielle Durststrecken zu erwarten, für die mit einer Reserve vorgesorgt haben solltet.

Beitragsbild: Kevin Phillips/Pixabay

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