Diese Startups entwickeln kultivierte Milchprodukte
Soja- oder Hafermilch kennt mittlerweile fast jeder. Doch gibt es andere Alternativen für die herkömmliche Milch und Milchprodukte? Vor einigen Wochen haben wir über kultiviertes Fleisch und Meeresfrüchte geschrieben – ähnliche Entwicklungen gibt es auch in der Milchindustrie. Um den Geschmack und die Funktionalität von Milch, Käse, Butter und Joghurt auf tierischer Basis möglichst genau zu erreichen, entwickeln immer mehr Startups kultivierte Milchprodukte. Über die wichtigsten davon berichten wir in diesem Beitrag.
Das beliebteste Produkt: kultivierter Käse
Da Käse den größten ökologischen Fußabdruck aller Molkereiprodukte hat und seine pflanzlichen Alternativen bei den Verbrauchern bislang wenig Anklang gefunden haben, sind besonders viele Startups in die Produktion von kultiviertem Käse involviert. Eins davon ist New Culture, ein 2018 gegründetes Unternehmen aus San Francisco. Sein Schwerpunkt liegt auf der Nutzung mikrobieller Fermentation zur Herstellung von Kasein, einem Protein, das bestimmten Milchprodukten wie Käse seine besondere dehnbare Textur verleiht. Mit dieser Technologie entwickelt das Startup aktuell sein erstes Produkt – eine tierfreie Version von Mozzarella.
Das australisch-amerikanische Startup Change Foods wurde 2019 gegründet. Das Unternehmen entwickelt die Mikroorganismen, die Milchproteine und -fette produzieren können, biotechnologisch weiter und formuliert sie zu echten, tierfreien Käseprodukten. Mit diesen will Change Foods gleichzeitig ein gesünderes, laktose- und hormonfreies Produkt herstellen sowie eine nachhaltigere Alternative schaffen: nach eigenen Angaben reduziert ihr Herstellungsprozess den Energieverbrauch um 65 Prozent, benötigt 98 Prozent weniger Wasser und verursacht 84 Prozent weniger Kohlenstoffemissionen als bei herkömmlichem Käse.
Das Berliner Startup Formo Foods, ehemals Legendairy Foods, entstand 2019. Das Unternehmen mischt Mikroorganismen mit Zucker und nutzt dann die Fermentation, um Milchproteine zu produzieren, die es dann als Bausteine für Molkereiprodukte verwendet. 2021 hat Formo eine Finzierung in Höhe von 50 Millionen US-Dollar erhalten, was zu dem Zeitpunkt die größte Investitionssumme in ein Food-Tech Unternehmen in Europa darstellte.
Das 2020 in Paris gegründete Unternehmen stellt Kaseine im Labor her, und zwar durch ein Präzisionsfermentationsverfahren. Diese Proteine sind mit denen in der Milch identisch und ergeben dieselben ernährungsphysiologischen Eigenschaften, die Funktionalität und den Geschmack von Käse. 2022 hat das Startup eine Finanzierungsrunde in Höhe von 12 Millionen Euro abgeschlossen und ist eine strategische Partnerschaft zur Herstellung alternativer Milchproteine mit Bel Group eingegangen.
Milch, Joghurt, Eiscreme und mehr
Eine Vielzahl von Startups fokussiert sich nicht ausschließlich auf einen, sondern entwickelt gleichzeitig mehrere Milchprodukte. Darunter ist das Londoner Startup Better Dairy – das erste Unternehmen im Bereich der kultivierten Milchprodukte in Großbritannien. Das Startup nutzt Hefefermentation und synthetische Biologie, um tierfreie Milch, Käse, Joghurt und Eiscreme herzustellen. Ihre ersten Prototypen sind molekular identisch mit herkömmlichen Milchprodukten und können nahtlos in bestehende Lieferketten integriert und in jedem Rezept verwendet werden, das Milchprodukte erfordert.
Remilk ist ein israelisches Lebensmitteltechnologieunternehmen, das Mikroben nutzt, um die Hauptbestandteile von Milch zu produzieren. Das Unternehmen arbeitet derzeit an der Entwicklung einer Milchalternative, die es in Bezug auf Geschmack, Nährstoffzusammensetzung und Funktionalität mit Kuhmilch aufnehmen kann. Das Produkt von Remilk kann man auch zur Herstellung anderer tierfreier Milchprodukte verwenden, von Butter bis Mozzarella-Kugeln.
2014 gegründet, ist Perfect Day ein Startup aus Kalifornien, das tierfreie Milchproteine durch Fermentation entwickelt hat. Die Proteine werden in einer Vielzahl von Produkten eingesetzt, darunter Frischkäse, Barista-Milch, Eiscreme, Proteinpulver, Ei-Ersatz, Backmischungen, Süßwaren und Gelato. Das Produkt zieht viele Investoren an. 2021 gab das Unternehmen bekannt, dass es seine Serie-D-Runde über 350 Millionen US-Dollar abgeschlossen hat; insgesamt flossen bereits 750 Millionen US-Dollar. Die Gründer haben außerdem die Urgent Company gegründet, die eine Reihe von tierfreien Eissorten mit den Proteinen von Perfect Day anbieten wird.
Die neuste Entwicklung: menschliche Milch
Doch nicht nur an Produkten aus Kuhmilch wird gearbeitet: seit einigen Jahren entwickeln mehrere Startups eine kultivierte Alternativezur menschlichen Milch. 108Labs aus North Carolina war 2013 das weltweite erste Startup, das daran gearbeitet hat. Im Jahr 2019stellte es die erste zellkultivierte Milch her. Im darauffolgenden Jahr kündigte das Unternehmen die Arbeit an Colostrupedics an, einer vollwertigen menschlichen Säuglingsnahrung. Mittlerweile baut das Unternehmen schon seine erste Produktionsanlage.
Das israelische Startup Wilk arbeitet gleichzeitig an der Entwicklung von zellkultivierter menschlicher und tierischer Milch und Milchkomponenten. Das Unternehmen hat neulich die erfolgreiche Entwicklung des weltweit ersten Joghurts bekannt gegeben, der zellkultiviertes Milchfett enthält. Das neue Produkt soll auch die Entwicklung von Humanmilchfettkomponenten für die Integration in Säuglingsnahrung ergänzen. Das kultivierte Humanmilchfett für Säuglingsnahrung steht aktuell im Fokus des Unternehmens.
2013 gegründet, ist BIOMILQ ein US-amerikanisches Unternehmen, das kultivierte menschliche Milch produziert. Das Startup stellt sein Produkt aus Zellen her, die aus menschlichem Brustgewebe und menschlicher Milch gewonnen werden. BIOMILQ züchtet die Zellen in Kolben, füttert sie mit Nährstoffen und bebrütet sie dann in einem Bioreaktor, wo die Zellen mehr Nährstoffe aufnehmen und Milchbestandteile ausscheiden. Das Startup hat 2021 eine Serie-A-Finanzierung in Höhe von 21 Millionen US-Dollar erhalten. Letztes Jahr hat das Unternehmen bekanntgegeben, dass seine Technologie in den nächsten drei bis fünf Jahren marktreif sein wird.
Fotos: Standing Ovation, Formo, 108Labs.