Foodist – eine Ideenschmiede für den E-Commerce in der Food-Branche
Foodist gehört zu den wachstumsstärksten Startups der deutschen Food-Szene. Bekannt geworden ist es durch seine Abo-Boxen und einen Auftritt in „Die Höhle der Löwen“ vor über fünf Jahren, seinen anhaltenden Erfolg verdankt es vor allem seiner Vielseitigkeit. Wie es um das Unternehmen und den Online-Lebensmittelhandel insgesamt zurzeit steht, erfahrt ihr in diesem Bericht.
Die meisten Branchen leiden unter den strengen Vorschriften zur Eindämmung des neuartigen Coronavirus oder stecken sogar in einer existenziellen Krise. Einige Bereiche profitieren dagegen sogar davon. Das ist auch völlig in Ordnung, wenn die betroffenen Unternehmen ihr Geschäft wie gewohnt weiterbetreiben und nicht aus der Notsituation auf unmoralische Weise Kapital schlagen. E-Commerce und Lebensmittelhandel gehören momentan zu den Branchen, die der Rezession, in der wir uns längst befinden, am ehesten trotzen können. Foodist findet sich genau in der Schnittmenge beider Branchen.
Zurzeit lägen die Umsätze um 80 % über denen vom Vorjahr, rechnet Foodist-Gründer Alexander Djordjevic vor. Für das gesamte Kalenderjahr 2020 sei eine Steigerung von 40 % angestrebt. Die Umstellung auf Home Office ist für das Startup keine übermäßige Herausforderung, sondern längst Teil der Unternehmensphilosophie. Lieferengpässe gibt es bisher nicht, aus besonders betroffenen Ländern wie China oder Italien kommen sowieso kaum Waren. Zudem hat sich Foodist rechtzeitig mit besonders begehrten Produkten genügend bevorratet.
Die Warenkörbe bei Foodist sind zurzeit größer als üblich
Der Durchschnittswert eines Warenkorbs liegt aktuell um die 20 % höher als üblich. Und es gibt mehr Ausreißer nach oben, die zwischen 200 und 400 Euro auf einen Schlag ausgeben. Dann sind da mit ziemlicher Sicherheit auch Nudeln dabei. Zu jeder Zeit gehören Getränke aller Art zu den Verkaufsschlagern im Online-Lebensmittelhandel, nicht zuletzt, weil die Lieferung an die Haustür die lästige Schlepperei schwerer Flaschen überflüssig macht.
Die Kiste Mineralwasser oder Pils lässt sich über Foodist nicht bestellen, dafür eine große Auswahl an ausgefalleneren Getränken gehobener Qualität. Ein Prinzip, das für das gesamte Sortiment gilt. Eine zunehmend wichtigere Rolle spielen dabei die Eigenmarken. Begonnen hat das mit Snacks und dem Label Mission More. Inzwischen gibt es auch eine Reihe von Produkten, die unter dem Namen Foodist erhältlich sind. Dazu gehören eine Saftkur und ein Braukasten für selbstgemachtes Bier. In Zeiten der Langeweile in den eigenen vier Wänden ist auch das Do it yourself-Kit für Gin keine schlechte Idee. Es enthält den Basisalkohol und zwölf Botanicals, die sich beliebig kombinieren lassen.
Sonderaktionen als effektives Marketinginstrument
Mit immer neuen Ideen versucht Foodist, das Geschäft das ganze Jahr über einigermaßen gleichmäßig am Laufen zu halten. Den meisten Umsatz generiert das Unternehmen naturgemäß zur Weihnachtszeit. Allein rund 70.000 verkaufte Adventskalender in verschiedenen Variationen sprechen da eine deutliche Sprache. Der Kalender ist dabei nicht nur ein Bestseller, sondern auch ein effektives Marketinginstrument. Schließlich macht jeden Morgen ein neues Produkt aus dem Foodist-Sortiment Appetit auf mehr und sorgt für Nachbestellungen.
Ein echter Coup in Sachen Marketing ist die Zusammenarbeit mit der enorm reichweitenstarken Fitness-Influencerin Pamela Reif (4,7 Millionen Abonnenten auf Instagram). Ein einziger Post zu ihrer Pam Box brachte auf einen Schlag 450.000 Euro Umsatz. Die Pam Box erscheint alle zwei Monate und enthält ausschließlich vegane Lebensmittel, die Pamela Reif selbst auswählt. Auch die Inhalte des mitgelieferten Booklets trägt sie persönlich bei. Foodist setzt damit weiter auf das Standbein Aboboxen, mit dem alles begonnen hatte. Seit der Übernahme vor einem Jahr durch den Marktführer in diesem Bereich, metacrew, ist die diesbezügliche Kompetenz sogar noch gewachsen.
Mit eigener Lagerlogistik wird Foodist noch unabhängiger
Diese neue Geschäftskonstellation erleichterte auch den Aufbau einer eigenen Lagerlogistik. Foodist verfügt über eine Halle, die über eine Fläche in der Größenordnung von zwei Fußballfeldern verfügt. An dem Standort in der Nähe von Osnabrück arbeitet das Startup mit eigenem Personal und hat sich so ein weiteres Stück Unabhängigkeit gesichert.
Auch wenn der Online-Handel gerade boomt, spielt er bei Lebensmitteln hierzulande noch eine sehr geringe Rolle. Laut der Nielsen-Studie „TOP-Firmen Edition 2019“ betrug im Jahr 2018 der Food-Umsatz in Deutschland 205,7 Milliarden Euro. Alexander Djordjevic verortet den Online-Umsatz bei etwa 1 %, was immer noch ein Milliardenmarkt wäre, der sich allerdings auf viele Anbieter und häufig Nischenprodukte verteilt. Länder wie Großbritannien und die Schweiz seien da mit Marktanteilen von bis zu 10 % schon viel weiter.
Im Online-Lebensmittelhandel steckt noch viel Potenzial
Das liegt nicht nur an der Innovationsträgheit, die den Deutschen gern nachgesagt wird und sich beispielsweise bei der bisher weit verbreiteten Beharrung auf Bargeldzahlung zeigt. Ein Grund ist auch die hohe Dichte an Supermärkten. Der Durchschnittsbürger wohnt hierzulande nur 400 Meter vom nächsten Lebensmitteleinzelhändler entfernt. Dort bekommt er in der Regel ein breites Sortiment und viele Frischeprodukte geboten. Die großen Ketten bauen weiterhin eher auf den stationären Handel und haben auch keine starke Internet-Konkurrenz wie Ocado aus dem UK. Der Online-Supermarkt, der über keinerlei Filialgeschäft verfügt, bezeichnet sich selbst als weltweit größtes Unternehmen seiner Art.
Britische Verhältnisse wird es in Deutschland so schnell nicht geben, doch bei Foodist rechnet man damit, dass sich der Online-Anteil am Lebensmittelumsatz innerhalb weniger Jahre verdoppeln wird. Von diesem Kuchenstück möchte man gern einen ordentlichen Happen abbekommen, weshalb dem schon ganz schön groß gewordenen Startup weiterhin eine Fülle an neuen Ideen und Produkten zu erwarten ist.
Fotos: Foodist