Syltet

Syltet macht Omas Küche wieder hip

Gemüse einzulegen ist nur eines der vielen Geheimnisse aus Großmutters Küche. Es hält Lebensmittel länger frisch und macht sie noch schmackhafter. Die Gründerin des dänischen Startups Syltet, Rie Schimmell, hat sich in den Geschmack verliebt und die alten Rezepte entstaubt. Im Interview erzählt sie uns, wie sie das geschafft hat und was ihre Produkte so besonders macht.

Stell doch gerne zuerst einmal dich und dein Startup vor!

Hallo, ich bin Rie Schimmell, 31 Jahre alt und habe Syltet vor drei Jahren gegründet. Syltet bedeutet auf Dänisch „eingelegt“ und wir produzieren eingelegtes Gemüse und Essig.

Was war der Grund, warum du Syltet damals gegründet hast?

In Dänemark haben wir ein paar traditionelle Gerichte, zu denen man eingelegtes Gemüse essen würde. Wie Rotkohl zu Weihnachten. Um ehrlich zu sein, habe ich eingelegtes Gemüse in meiner Kindheit nie wirklich gemocht. Ich fand es zu weich und entweder zu sauer oder zu süß. Aber die Restaurants haben mich wirklich dafür geöffnet.

Ich glaube, die Menschen beginnen langsam zu entdecken, dass das Hinzufügen von etwas Eingelegtem selbst in einem Salat dem Gericht eine völlig neue Geschmacksebene verleiht.

Syltet
Syltet’s Auswahl an eingelegtem Gemüse reicht von Tomaten bis Zwiebeln. (Bild: Syltet)

Warum glaubst du, feiert eingelegtes Gemüse gerade ein so großes Comeback?

Ich denke, dafür gibt es ein paar Gründe – erstens, weil eingelegtes Gemüse so vielfältig ist. Man kann so viele Sorten einlegen und ich habe das Gefühl, dass ich die Liste der Dinge, die ich einlegen möchte, immer weiter verlängere. Je nachdem, was oder womit man sein Gemüse einlegt, kann man den Geschmack unendlich weit variieren. Ich liebe es, wenn ich Leute, die eingelegtes Gemüse eigentlich nicht mögen, das von Syltet probieren lasse und sie ihre Meinung dann ändern.

Aber auch wegen der Umwelt. Saisonale Lebensmittel werden gerade zu einem großen Trend, der hoffentlich anhalten wird. Indem man das Gemüse bei der Ernte einlegt und konserviert sorgt man dafür, dass man auch im Dezember den Geschmack des Sommers genießen kann. Und das ganz ohne Erdbeeren zu kaufen, die zuerst um die halbe Welt gereist sind. Und dann natürlich wegen der Lebensmittelabfälle. Wir werfen so viele Lebensmittel grundlos weg, wenn man das meiste übrig gebliebene Gemüse stattdessen einfach einlegen könnte.

Wie haben deine Freunde und Familie reagiert, als du ihnen von der Idee erzähltest, mit eingelegtem Gemüse Geld zu verdienen?

Niemand glaubte an meine Idee! Ich glaube, sie hielten mich für verrückt. Gerade weil es eine so altmodische Sache ist, wollte ich etwas dagegen tun und eingelegtes Gemüse wieder modern machen. Mein Vater, der mich immer sehr unterstützt hat gab zu, dass er es überhaupt nicht verstanden hat, als Syltet noch eine Idee war. Aber sobald er die ersten Proben gekostet hatte, fing er an es zu verstehen und jetzt liebt er es. Ich glaube, dass es den meisten meiner Freunde und Familienmitglieder so ging wie ihm.

Ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass viele Menschen bis heute verstanden haben, was meine Vision von Syltet ist. Wir haben jetzt 18 Produkte im Sortiment, aber ich habe noch 150 Ideen für Produkte, die ich irgendwann auf den Markt bringen möchte. Ich werfe ihnen also nicht vor, dass sie es nicht verstehen – ich zeige es ihnen stattdessen einfach.

Syltet hat mit dem Starkoch Rasmus Bundgaard zusammengearbeitet. Wie haben ihr euch kennengelernt und wie lief die Zusammenarbeit ab?

Ich traf Rasmus auf einer großen Lebensmittelmesse, die wir alle zwei Jahre in Dänemark veranstalten, der Food Expo. Ich erzählte ihm von der Idee, eingelegtes Gemüse herzustellen und er fand sie interessant. Also packte ich mein Auto mit Gläsern, Gemüse und Essig voll und fuhr von Kopenhagen nach Århus, wo Rasmus lebt. Wir verbrachten Sonntag und Montag in der Küche, als das Restaurant Michelin geschlossen war. Wir legten fünf Gemüse auf jeweils vier verschiedene Arten ein. Dann brachte ich sie alle nach Hause und probierte sie alle zwei Wochen, um die Veränderungen in Farbe, Textur usw. zu sehen. Ich entschied mich für das beste Grundrezept und verbrachte dann Tage damit, es zu perfektionieren bis es da war, wo ich es haben wollte. Rasmus ist immer noch auf Kurzwahl, wenn ich bei etwas Zweifel habe.

Ich habe einen Universitätsabschluss in Kommunikation und Finanzen, weshalb ich das Gefühl hatte, dass ich einen Food Profi brauchte, der mir etwas darüber beibringt, wie ein Koch über Lebensmittel denkt. So habe ich viel gelernt. Aber jetzt, nachdem ich tonnenweise Gemüse eingelegt habe habe ich das Gefühl, dass ich auf einem sehr guten Weg bin.

Syltet
Die Gründerin Rie Schimmel und ein paar ihrer Leckereien (Bild: Syltet)

Was sind deine Geheimtipps, wie jeder zu Hause selbst Gemüse einlegen kann?

  • Beginne mit der „Oma-Sole“. Sie besteht zu gleichen Teilen aus Essig, Wasser und Zucker. Füge ein wenig Gewürze hinzu (mit ganzem schwarzen Pfeffer und Lorbeerblättern kann man nichts falsch machen). Erhitze sie und gebe sie über Gemüse wie Zwiebeln, rote Rüben und Karotten. Wenn du das geschafft hast, kannst du mit anderen Essigsorten experimentieren, z.B. mit Holunderblüten für die Karotten oder mit verschiedenen Arten, das Gemüse zu schneiden.
  • Halte die Gläser und Werkzeuge sauber. Gebe kochendes Wasser in das Glas, bevor du etwas hineintust und achte darauf, dass du das Innere nicht berührst. Bakterien sind der schlimmste Feind beim Einlegen.
  • Versuchen, scheitern und nochmals versuchen. Sei nicht zu traurig, wenn es nicht so gelaufen ist, wie du dachtest. Versuch es einfach noch einmal – Übung macht den Meister, auch beim Einlegen.

Was macht dein Produkt so besonders und wofür steht Syltet?

Bei Syltet legen wir das Gemüse etwas anders ein, als viele es normalerweise tun würden. Wir wollen, dass das Gemüse knackig und fest bleibt, was für mich eine der wichtigsten Sachen ist.

Wir verbringen auch viel Zeit damit, die besten Produzenten zu finden. Ich glaube, wenn wir die bestmögliche Ausgangsbasis haben, wird auch das Endergebnis besser sein. Wir suchen also die besten Bauern und verwenden vor allem dänische und ökologische Rohstoffe.

Warum hast du Deutschland als neuen Markt ausgewählt?

Ich denke es gibt viele Gründe, warum Deutschland als erster neuer Markt außerhalb Dänemarks der perfekte Start ist. Zunächst einmal sind wir Nachbarn und ich war schon oft dort. Außerdem habt ihr eine lange Tradition des Einlegens und Fermentierens (Sauerkraut usw.). Ich denke also, dass eure Geschmacksnerven für Syltet bereit sind, aber ich denke auch, dass wir dem Markt etwas Neues hinzufügen werden, was für mich sehr wichtig ist. Ich möchte nicht nur mit etwas kommen, das in genau der gleichen Form bereits existiert.

Das Startup-Leben in Deutschland und Dänemark unterscheidet sich in einigen Punkten. Wie denkst du darüber?

Um ehrlich zu sein, kenne ich die deutsche Startup-Szene nicht sehr gut. Aber ich weiß, dass Deutschland und insbesondere Orte wie Berlin und Hamburg eine schnelllebige Startup-Kultur haben und dass der deutsche Lebensmittelmarkt sehr entwickelt ist. Deutsche Verbraucher haben Zugang zu so vielen Produkten, von denen wir in Dänemark noch nicht einmal gehört haben. Ich denke, das ist sehr inspirierend und würde das gerne weiter erforschen. In Dänemark ist die Lebensmittelgründerszene sehr freundlich und alle sind sehr hilfsbereit. Ich hoffe, dass ich dasselbe auch in Deutschland finden werde.

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Rie verkauft auch verschiedenste Sorten von besonderem Essig. (Bild: Syltet)

Welche Schwierigkeiten musstest du auf Syltets Weg meistern?

So viele auf einer täglichen Basis. Im größeren Maßstab geht es darum, die Verbraucher dazu zu bringen, die Produkte auszuprobieren. Denn wenn sie sie ausprobieren, mögen die meisten Menschen sie wirklich. Es geht darum, den Menschen begreiflich zu machen, dass eingelegtes Gemüse in der Tat superlecker ist und ich denke, dass das noch Jahre dauern könnte.

Es sind Herausforderungen wie bei vielen anderen Startups, bei denen die Finanzierung für die meisten eine große Rolle spielt. Sechs Monate, nachdem ich zum begann Syltets Produkte zu verkaufen wusste ich, dass ich einen Platz zum Produzieren finden musste, damit nicht nur ich und mein Vater zeitweise 16 Stunden am Tag Zwiebeln schälen mussten. Ich brauchte 1,5 Jahre, um einen Ort zu finden, der es mir ermöglichen konnte, mich zu vergrößern. Und sechs Monate danach traf ich einen Investor, Nils, der die älteste Essigfabrik Dänemarks besitzt. Nils hat einen Teil meines Unternehmens gekauft, so dass wir jetzt viel weiter kommen, als ich es allein jemals geschafft habe.

Aber ich habe auch viele kleinere Herausforderungen durchlebt, die zu der Zeit groß erschienen. Zum Beispiel 125.000 falsche Deckel zu bekommen, was wir natürlich 2 Tage bevor wir sie benutzen mussten, herausgefunden haben. Oder die Zeit, als ich anfing goldene Rüben zu produzieren und es sich herausstellte, dass sie gerade aus der Saison kamen, so dass kein Landwirt in Dänemark mehr welche hatte. Das bedeutete, dass wir fünf Monate warten mussten, bevor wir die goldenen Rüben auf den Markt bringen konnten. Aber ich habe gelernt, dass man seine Saison wirklich kennen muss. Also bin ich froh, dass es damals geschah, denn dadurch wurde mir die Gemüsejahreszeiten und ihre Bedeutung bewusster. Wir können nicht einfach mehr machen, wie sie es mit Shampoo können.

Am Rande sei erwähnt, wie ich Nils, den Investor, kennen gelernt habe.

Ich hatte schon eine Weile nach einem Investor gesucht, wollte aber nicht nur Geld sondern auch Know-how, was sich als schwierig zu finden erwies. Mittlerweile wissen viele Leute über das Einlegegen in größerem Maßstab in Dänemark Bescheid.

Im November lud mich mein neuer Partner zur 50. Geburtstagsfeier seines Onkels ein. Zufällig saß ich neben einem Mann und als ich ihm erzählte, dass ich meinen Lebensunterhalt mit dem Einlegen von Gemüse verdiene, sagte er: „Mein bester Freund besitzt eine Essigfabrik“. Ich dachte, er mache nur Witze, aber wir sprachen darüber, und am nächsten Tag schickte er mir die Nummer seines Freundes Nils. Ich rief Nils eine Woche später an und am selben Tag hatten Nils und ich unser erstes Treffen. 1,5 Monate danach unterzeichneten wir den Vertrag.

Ich finde es so cool, dass eine alt eingesessene Firma an ein kleines Startup wie Syltet glaubt. Mit dieser neuen Aufstellung haben wir wirklich das Team, um auf dem aktuellen Markt zu wachsen, auf andere Märkte zu expandieren und einige der Produkte herzustellen, die ich von Anfang an machen wollte. Jetzt bin nicht nur ich es, sondern ein ganzes Team erfahrener Leute, die seit vielen Jahren in der Lebensmittelindustrie tätig sind. Wöchentlich kneife ich immer noch in den Arm, um zu sehen, ob das alles nur ein Traum ist. Diese Geburtstagsfeier war nicht nur ein großer Spaß, sie hat auch mein Leben verändert!

Welche Ziele oder Pläne hast du mit Syltet für die Zukunft?

Auf kürzere Sicht ist es in Deutschland einen guten Start zu haben und in Dänemark weiter zu wachsen. Längerfristig ist es in mehr Märkten einzusteigen und einige der Produkte entwickeln, die ich im Hinterkopf habe. Aber meine Strategie war schon immer, nichts zu überstürzen. Ich mache es lieber richtig und in einem Tempo, bei dem wir die hohe Qualität in allen Aspekten beibehalten können.

Dankeschön für das Interview, liebe Rie!

Beitragsbild: Syltet